Ein hochbetagter Mann liegt auf dem Sterbebett, die Tochter hält seine Hand. Am Bettrand steht eine Pflegeperson, die dem Sterbenden freundlich zulächelt. So würdevoll wird uns das Lebensende in Broschüren oder auf Webseiten von Gesundheitseinrichtungen präsentiert.
Eine Studie des Schweizerischen Nationalfonds zeigt: Auf Agenturbildern im Internet wird meist zu schön gestorben. Was machen diese unrealistischen Darstellungen mit unserer Wahrnehmung vom Tod? Tina Braun, die an der Studie mitgearbeitet hat, beurteilt die Bilder kritisch.
SRF: Waren sie überrascht, wie schön das Sterben auf Agenturbildern dargestellt wird?
Tina Braun: Nur bedingt, weil ich mich schon früher mit dem Thema auseinandergesetzt hatte. Mit meinem Kollegen Gaudenz Metzger habe ich auf Googel mit dem Begriff «Palliative Care» nach Bildern gesucht. Diese Bilder haben wir auf ihre Narrative untersucht. Da hat es uns schon überrascht, wie wenig divers die Bilder sind.
Die Darstellungen repräsentieren nicht unbedingt das Lebensende oder das Thema Sterben im echten Leben.
Sie haben das Stichwort «Palliative Care» angesprochen, sprich: Pflege für Menschen, die bald sterben könnten. Diese Bilder werden bei Fotoagenturen angeboten. Wer ist das Zielpublikum solcher Agenturbilder?
Es sind vor allem Gesundheitseinrichtungen, die ihr Palliative-Care-Angebot visuell darstellen möchten. Natürlich kommunizieren nicht alle Hospize mit diesen Bildern.
Aber interessant ist es schon, dass man in den Agenturen diese verengte Darstellung findet, die nicht unbedingt das Lebensende oder das Thema Sterben, wie es im echten Leben stattfindet, repräsentieren.
Auf den Bildern sieht man Sterbende, die alle alt sind. Die Pflegenden sind freundliche, junge Frauen. Alles wird in Weiss gehalten. Warum gibt es diese Romantisierung beim Thema Sterben?
Das Grundproblem ist: Wie visualisiert man das Lebensende? Das ist ein sehr abstraktes Thema, bei dem wir unterschiedliche Erfahrungen machen.
Die Bilder generieren falsche Erwartungen.
Wenn das Bildmaterial so stereotyp verengt wird, kreieren sie eine Distanz zum Thema. Diese Distanz ist auch gesellschaftlich verankert. Es fällt uns nach wie vor nicht leicht, über das Sterben zu sprechen. Einerseits werden die Bilder benutzt, um diese Tür zu öffnen. Andererseits stellen sie nicht das dar, was wir in der Realität eventuell erfahren werden.
Sie haben mit Pflegepersonen gesprochen. Wie beeinflussen solche Bilder die Ansprüche der Angehörigen an das Pflegepersonal?
Ihre Arbeit wird sehr überspitzt dargestellt. Nicht alle Pflegende haben immer ein Lächeln auf dem Gesicht, weil es natürlich Stress und Zeitdruck in ihrem Alltag gibt. Da können Fragen aufkommen wie: «Mache ich meine Arbeit etwa nicht richtig?»
Die Bilder generieren auf beiden Seiten, sowohl von Sterbenden und deren Angehörigen als auch seitens der Pflegenden, falsche Erwartungen.
Was wäre aus dieser Erkenntnis heraus die logische Konsequenz?
Es wäre wichtig, dass Gesundheitseinrichtungen ihre Kommunikationsmaterialien, gerade beim Thema Sterben, kritisch überprüfen. Sie sollten schauen, was auf diesen Bildern genau dargestellt wird und womit das verbunden werden kann.
Welche Sujets können falsche Erwartungen und falsche Aussagen bewirken? Wir haben bereits viel gewonnen, wenn wir uns überlegen, wie die Bilder unsere Wahrnehmung vom Sterben und Lebensende beeinflussen können.
Das Gespräch führte Bodo Frick.