Um die drei wichtigsten Befunde vorweg zu nehmen: Frauen sind in Leitungspositionen untervertreten. Künstlerinnen und ihre Werke sind weniger sichtbar und erhalten weniger Preise. Und Frauen verdienen weniger als Männer.
Das geht aus einer neuen Studie der Universität Basel hervor, die erstmals untersucht hat, wie Frauen im Vergleich zu Männern in der Schweizer Kulturbranche vertreten sind. Konkret untersucht wurden Geschlechterverhältnisse in der Darstellenden Kunst, etwa im Theater und Tanz, in der Literatur, in der Musik bezogen auf klassische Musik, Jazz und Rock und Pop sowie in der Visuellen Kunst.
Unterschiede zwischen den Sparten
Über alle Sparten betrachtet, zeigt sich: Im Kulturbetrieb herrscht eine grosse Ungleichheit zwischen Männern und Frauen.
Die Kulturmanagerin bei der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia, Seraina Roher, ist davon nicht völlig überrascht: «Was ich allerdings nicht erwartet habe, sind die grossen Unterschiede zwischen den künstlerischen Disziplinen.»
Ausgeglichen ist das Geschlechterverhältnis nur in der Literatur. Ganz anders sieht es in der Sparte Musik aus. Von 100 Personen, die Konzerthäuser und Musikfestivals leiten, sind nur gerade 8 Frauen.
Wo Männer vor allem den Ton angeben
Auch im Konzertsaal wird der Ton von Männern angegeben: Es gibt zwar viele junge Frauen, die das Dirigieren studieren. Aber als Dirigentinnen schaffen sie es nicht an die grossen Häuser und generell selten auf die Bühne.
Nur in 6 von 100 Aufführungen führt eine Frau den Taktstock. Auch stammen nur gerade 2 von 100 aufgeführten Werken von Komponistinnen.
Andrea Zimmermann von der Universität Basel, Projektleiterin der Studie, nennt als einen Grund die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, wie zum Beispiel lange Arbeitszeiten, Abendauftritte oder Auslandtourneen.
Es brauche hier strukturelle Lösungen, die nicht nur die Aufgabe von Frauen seien, sagt Zimmermann. Man sehe auch intransparente Verhandlungen von Honoraren und Gagen: «Intransparenz schafft immer Bedingungen für Diskriminierung – hier auch aufgrund des Geschlechts.»
Fehlt es an Vorbildern?
Das betrifft nicht nur die Szene der klassischen Musik. Besonders im Rock, Pop und Jazz sind die Frauen bei Auftritten untervertreten. Ihr Anteil auf der Bühne beträgt zwischen 9 und 12 Prozent.
Yvonne Meyer, die sich im Verein «Helvetiarockt» für eine bessere Vertretung von Frauen einsetzt, sagt, es fehle an Vorbildern. Aber das sei seit langem bekannt.
Die für «Helvetiarockt» viel spannendere Frage sei, ob die Musikbranche überhaupt etwas verändern wolle. Für diesen Veränderungsprozess brauche es ein aktives Engagement von allen.
Welche Massnahmen helfen?
Für Seraina Rohrer von Pro Helvetia ist klar: «Das Kulturschaffen sollte ein Abbild der Vielfalt der Gesellschaft mit ähnlichen Anteilen der unterschiedlichen Geschlechter sein.»
Aufgrund dieser Studie brauche es jetzt entsprechende Massnahmen. Man müsse eine Diskussion starten: «Es ist wichtig, dass wir uns überlegen, welche Massnahmen es braucht, die längerfristig zu mehr Chancengleichheit führen.»
Die Pro Helvetia – als wichtige Akteurin bei der Vergabe von Werkbeiträgen und Stipendien – hat auf das Defizit reagiert und erfasst seit Neustem bei den Gesuchen auch das Geschlecht, um die Verteilung der Gelder besser zu überprüfen.