Plötzlich verlagerte sich im Frühling das Studium vom Hörsaal vor den Laptop. Vorlesungen fanden auf Online-Plattformen wie Zoom oder Teams statt, oft wurden einfach Podcasts hochgeladen. Die Studierenden mussten sich damit arrangieren.
Alles hängt vom Fach ab
«Prinzipiell fiel mir die Umstellung auf die digitale Lehre leicht», erzählt Damian, der an der Universität Zürich Medizin studiert. «Es kam mir sehr entgegen, dass Podcasts immer verfügbar sind und man sie im eigenen Tempo bearbeiten kann.»
Anders erlebte es Soziologiestudentin Fanny an der Universität Basel. Ihr habe der Austausch mit den anderen Studierenden gefehlt, sagt sie. «Gerade in den Geisteswissenschaften ist es wichtig, dass man sich kritisch mit Inhalten auseinandersetzt, und das hat online nicht gut geklappt – die Diskussionen sind im Laufe des Semesters regelrecht eingeschlafen.»
Bei Nora, Physikstudentin an der Universität Bern, stellte der Dozent von anfänglichen Podcasts mit der Zeit auf Zoom-Meetings um, «damit die direkte Interaktion zwischen ihm und uns Studierenden nicht ganz verlorenging.» Allerdings habe dann niemand den Mut gehabt, das Audio oder gar die Kamera anzuschalten. Fragen wurden ausschliesslich per Chat gestellt. «Das war besser als gar keine Interaktion, doch es blieb sehr distanziert und unpersönlich.»
Mikroskopieren am Laptop?
Auch bei manchen Dozentinnen und Dozenten fällt der Rückblick auf das digitale Frühlingssemester durchzogen aus.
Zum Beispiel bei Beatrix Falch, die an der ETH Zürich einen Mikroskopier-Kurs unterrichtet: «Die Studierenden haben den Kurs auf dem Papier zwar bestanden, aber sie können trotzdem nicht mikroskopieren», bilanziert sie. Praktisches Arbeiten per Videokonferenz sei nicht machbar. Für Beatrix Falch steht fest: «Real ist immer noch am besten.»
Fernunterricht in kleinen Gruppen
Silvia Henke ist Professorin für Kulturtheorie an der Hochschule Luzern. In ihrem Fach hat sich der digitale Fernunterricht in kleinen Gruppen bewährt. «Man kann online sehr schnell Bilder oder Texte teilen, und das erzeugt in kleinen Gruppen kreative Lernmöglichkeiten.»
Anders bei Grossveranstaltungen mit 50, 100 oder noch mehr Teilnehmenden: «Hier mutiert die Vorlesung zur Geisterstunde», so Silvia Henke, «und man weiss überhaupt nicht, wo das ankommt.»
Mix zwischen Fern- und Präsenzunterricht
Bei einem Teil der Studierenden kommt es nicht an – sie hängen ab. Das haben Auswertungen gezeigt, und daraus haben die Hochschulen ihre Lehren gezogen. Im kommenden Semester setzen die meisten auf das sogenannte Blended Learning. Bei dieser Form wechseln sich Phasen des virtuellen und des Präsenzunterrichts ab.
Das bedeutet aber auch: Der digitale Fernunterricht wird nach Corona nicht einfach wieder verschwinden, wie manche dies wünschen, sondern er wird sich als fester Bestandteil der Lehre etablieren.
Allerdings steht diese Entwicklung erst am Anfang. Und nicht nur die Studierenden, auch die Dozierenden müssen lernen, mit der neuen Situation zurechtzukommen.
Kunstdozentin Silvia Henke gibt unumwunden zu, dass sie und ihre Kollegen sehr gefordert und nervös seien. Aber es führe eben kein Weg an den neuen Online-Formaten vorbei. Silvia Henke ist überzeugt: «Hochschulen und auch Schulen wären gut beraten, diese Entwicklung sorgfältig aufzunehmen und in Weiterbildung zu investieren.»