Jeder neunte Covid-Fall weltweit betrifft Kinder und Jugendliche. Oft wird diese Tatsache in den Covid-Debatten der Industrieländer vergessen.
Deshalb richtet sich die Kinderhilfsorganisation Unicef am Internationalen Tag der Kinderrechte mit einem eindringlichen Appell an die Weltöffentlichkeit: Es müsse verhindert werden, dass Corona zu einer verlorenen Generation führe. Dazu liefert Unicef den ausführlichen Bericht «Averting a Lost Covid Generation», der Daten aus 87 Staaten auswertet.
Keine Schule, kein Essen
Die gesundheitlichen Schäden und sozialen Langzeitfolgen sind noch nicht abschätzbar. Denn die Lockdowns führen in vielen Staaten dazu, dass die medizinische Versorgung nicht mehr möglich ist – etwa, dass Kinder nicht mehr gegen Polio oder Masern geimpft werden können. Katastrophal sind auch die Schulschliessungen.
Betroffen sind gegenwärtig 572 Millionen Mädchen und Jungen, ein Drittel aller Schulkinder weltweit. Die Exekutivdirektorin von Unicef, Henrietta Fore, hat im Mai dieses Jahres in einer Informationskampagne auf dieses Problem aufmerksam gemacht: Geschlossene Schulen würden zu einem Bildungsdefizit und zu Mangelernährung führen.
Seit Corona erhalten 265 Millionen Kinder keine Mahlzeiten mehr in den Schulen. Zudem sind sie vermehrt Gewalt und Missbrauch ausgesetzt. Kinderarbeit und Teenagerschwangerschaften seien die Folge, so Fore.
Henrietta Fore appellierte bereits im Frühjahr an die nationalen Behörden, zusammenzuarbeiten und die Schulen wiederzueröffnen: «Die Behörden müssen die Interessen der Kinder mit den allgemeinen Überlegungen zur öffentlichen Gesundheit in Einklang bringen.»
Schwierige Hygiene an den Schulen
Doch hat das Kinderhilfswerk, das sich auf die UNESCO, die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds beruft, in der Zwischenzeit eine Reaktion von Regierungen und Staaten bekommen?
Dazu Jürg Keim, Mediensprecher von Unicef: «Viele Länder öffnen die Schulen stufenweise wieder. Es sind vor allem Gebiete mit aktuellem geringerem Risiko, wie etwa die Zentralafrikanische Republik, Bangladesch, Chile, Ecuador, Äthiopien und Indonesien.»
Wenn Schulen offen bleiben sollen, brauchen Kinder dort Wasser und Seife, um sich vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus zu schützen. 818 Millionen Schulkinder weltweit haben diese Möglichkeit nicht: Doch was haben die Vereinten Nationen in diesem Punkt erreicht?
Unicef habe zusammen mit der WHO eine Initiative lanciert, die nicht nur kurzfristig, sondern langfristig den Zugang zu Wasser und Seife ermöglichen soll, sagt Jürg Keim weiter.
Der aktuelle Appell von Unicef rüttelt auf. Er macht klar, dass es in der Debatte über die Bekämpfung der Pandemie einen erweiterten Blick auf die Lebensverhältnisse der jüngsten Generation ausserhalb der westlichen Wohlstandsgesellschaften braucht.