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Missbrauchsvorwürfe an der Tanzakademie Zürich
Aus Kultur-Aktualität vom 02.06.2022. Bild: KEYSTONE/Alessandro Della Bella
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Tanzakademie Zürich «Du siehst aus wie ein tanzender Hamburger»

An der Zürcher Tanzakademie herrscht offenbar seit Jahren ein Klima der Angst. Das schreibt die Schweizer Journalistin Barbara Acherman in einem Artikel für «Zeit Online». Die Rede ist von Schikanen, Demütigungen und manchmal körperlicher Gewalt.

Barbara Achermann

Journalistin

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Die Journalistin ist seit 2019 Zeit-Reporterin und Redakteurin in Zürich. Für ihre journalistische Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet: 2021 mit dem Deutschen Reporterpreis, 2016 mit dem Real21-Preis für Auslandreportagen und 2007 mit dem Swiss Media Award. Im Reclam-Verlag erschien ihr Sachbuch «Frauenwunderland. Die Erfolgsgeschichte von Ruanda».

SRF: Sie haben für die Wochenzeitung «Die Zeit» im Umfeld der Tanzakademie Zürich recherchiert und mit 13 jungen Leuten gesprochen, die zwischen 2007 und 2021 an dieser international bekannten Ausbildungsstätte für klassischen Tanz ausgebildet wurden. Diese jungen Frauen und Männer haben Ihnen ihre Erfahrungen geschildert, unter anderem mit Tagebucheinträgen: Es sind Protokolle des Schreckens. Was ist da passiert?

Barbara Achermann: Alle 13 ehemaligen Schülerinnen und Schüler erzählen von psychischem Missbrauch, von systematischer Erniedrigung, von Body-Shaming und teilweise auch von körperlicher Gewalt.

Aus ihren Schilderungen geht hervor, dass nicht nur das Verhalten einzelner Lehrpersonen ein Problem ist, sondern dass generell mit viel Druck und Angst, mit einem System von schwarzer Pädagogik, gearbeitet wird.

Einige haben damit bis heute Probleme, haben Angstzustände, Depressionen und sind auf Medikamente angewiesen.

Können Sie Beispiele für den Machtmissbrauch nennen?

In einer Klasse gab es eine «Stange der Schande». An dieser Ballettstange mussten diejenigen Kinder tanzen, die aus der Sicht der Ballettlehrerin nicht gut genug waren, um am regulären Unterricht teilzunehmen. Sie wurden systematisch gedemütigt.

Es fielen Sätze wie «Du tanzt wie Scheisse, die im Meer gleitet», «Du siehst aus wie ein tanzender Hamburger», «Du bist dumm», «Du kannst nichts» und «Du wirst es nie zu etwas bringen».

Zwei Balletttänzer proben.
Legende: Demütigungen, Bodyshaming, Einschüchterungen: Eine durch die Zürcher Hochschule der Künste eingeleitete Untersuchung soll die schwerwiegenden Vorwürfe aufklären. Das Ergebnis wird Ende des Jahres erwartet. KEYSTONE/Alessandro Della Bella

Die Betroffenen schildern, dass sich Erniedrigungen und Machtmissbrauch in ihre Körper eingeschrieben hätten. Der Körper und dessen Integrität sind im Tanz besonders exponiert. Der Körper ist das wichtigste Arbeitsmittel. Alles hängt von ihm ab: Die künstlerische Karriere, das Prestige, das Einkommen. Es geht also um eine spezifische Verletzlichkeit?

Ja. Und es kommt hinzu, dass solche Demütigungen in der besonders vulnerablen Phase der Kindheit und Pubertät, vor allem wenn sie täglich passieren, bleibende Schäden hinterlassen. Einige haben damit bis heute Probleme, sie haben Angstzustände, Depressionen und sind auf Medikamente angewiesen.

Die Mädchen müssen Essprotokolle führen und hungern, was ihrer Gesundheit schadet.

«Wir mussten wie Kinder aussehen», so zitieren Sie eine junge Frau. Sie halten fest, dass die Tanzakademie einen gesundheitsschädigenden Body-Mass-Index vorschreibt. Junge Frauen geben an, dass ihre Menstruation ausgeblieben sei und viele Essstörungen entwickelt hätten. Verhältnisse, die auch aus dem Spitzensport bekannt sind und vor einem Jahr mit den Magglinger Protokollen aufgedeckt wurden. Sehen Sie Parallelen?

Es ist tatsächlich so, dass bei diesen ästhetischen Sportarten – da gehört auch Synchronschwimmen oder Eiskunstlaufen dazu – junge Frauen sehr klare Vorgaben bekommen, wie ihr Körper auszusehen hat. An der Tanzakademie Zürich wird ein Body-Mass-Index von 16 bis 18 explizit vorgeschrieben, den Expertinnen als zu tief, gar als Untergewicht bezeichnen.

Wenn junge Frauen in der Pubertät naturgemäss etwas Fett zulegen, wird das zum Problem: Ihr Körper ist nicht erwünscht. Sie müssen Essprotokolle führen und hungern, was ihrer Gesundheit schadet.

Das Gebäude der ZHdK.
Legende: In diesem Gebäude der ZHdK ist die Tanzakademie beheimatet. Die Hochschule wusste von den Missständen und sagt, sie habe Massnahmen ergriffen. KEYSTONE/Christian Beutler

Die befragten jungen Frauen und Männern äussern sich alle rückblickend auf ihre Ausbildung. Zum Teil haben sie damals im Internat der Tanzschule gelebt. Was wissen Sie über Reaktionen von den Eltern auf die geschilderten Missstände?

Wir wissen, dass es immer wieder Eltern gab, die sich bei der Schulleitung über solche Missstände beschwert haben. Aber es hat sich nichts geändert.

In der Westschweiz wurden 2021 ebenfalls Fälle von Machtmissbrauch an renommierten Häusern in der Tanzszene bekannt. Und dann gibt es die zahlreichen #MeToo-Enthüllungen der letzten Jahre auf vielen Bühnen: Wie erklären Sie sich, dass man nach all dem an der Tanzakademie Zürich nicht genauer hingeschaut hat?

Ganz ehrlich: Ich kann es mir nicht erklären. Ich verstehe nicht, warum die zuständigen Behörden da nicht längst etwas getan haben.

Das Gespräch führte Sabine Bitter.

Das sagt die ZHdK zu den Missbrauchsvorwürfen

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Er habe von den Vorwürfen erfahren, sagt ZHdK-Rektor Thomas Maier am Donnerstag gegenüber dem Regionaljournal Zürich Schaffhausen. Sollten diese zutreffen, seien sie für die Hochschule absolut inakzeptabel. Die ZHdK habe am 31. Mai beschlossen, eine Administrativuntersuchung einzuleiten.

Mit dieser solle der Sachverhalt durch externe Fachleute vertieft abgeklärt werden. Mit dem Abschluss der Untersuchungen sei Ende 2022 zu rechnen. Davor können keine detaillierten Informationen zum Untersuchungsgegenstand gegeben werden.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 02.06.2022, 17:00 Uhr ; 

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