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Trumps heimliche Helfer «Die US-Demokraten haben den einfachen Mann vergessen»

Der amerikanische Politologe Mark Lilla attestiert den Demokraten kein gutes Zeugnis: Sie verpassten es, ein «Wir»-Gefühl aufzubauen.

Nach der Wahl von Donald Trump publizierte der Politikwissenschaftler Mark Lilla einen vielbeachteten Kommentar in der New York Times, der ihn zu einem strittigen Intellektuellen machte.

Dieser Artikel wurde in der Times zum meist gelesenen Politkommentar des Jahres 2016. Er zog Lob, aber auch einiges an Kritik mit sich.

Keine Vorstellung von Gemeinschaft

Lilla bemängelt in seinem Kommentar, dass die US-Demokraten keine Vorstellung mehr von Gemeinschaft hätten. Sie seien von ihrem eigentlichen Weg abgekommen: Zu lange und zu stark hätten sie auf die Identitätspolitik fokussiert, also auf den Schutz und die Beförderung von Minderheitenrechten.

Dabei ging der einfache Mann vergessen.

Diese Identitätspolitik sei teilweise verantwortlich für 30 Jahre demokratischer Politik: Sie fokussierte sich nicht auf die Nation und gemeinsame Projekte, sondern auf die Forderungen und Sorgen spezieller Bevölkerungsgruppen, beklagt Lilla.

Fehlendes Gefühl für Zusammengehörigkeit

Anstatt ein «Wir»-Gefühl aufzubauen, betone der Fokus auf Minderheiten die Differenzen unter den Menschen. Das Gefühl der Zusammengehörigkeit werde dadurch zerstört.

«Bei einem solchen Ansatz geht es um mich, meine Identität, darum, wie ich mich definiere. Ich engagiere mich nur in der Politik, wenn es um Dinge geht, die mich als Individuum auch betreffen», sagt Lilla. «Dadurch wird es sehr schwierig, Leute für ein Engagement in einem gemeinsamen Projekt zu begeistern.»

Die Demokraten, so Lillas pointierter Vorwurf, fokussieren sich auf kleine Gruppen – und nicht auf die Nation als Ganzes. Dadurch gäbe es in Amerika der Demokraten kein «Wir» mehr. Dieses Problem bestehe nach Trumps Sieg bis heute – nicht nur in Amerika, auch in Europa.

Andere Prioritäten setzen

So macht Lilla etwa das bissige Beispiel geltend, dass in West-Virginia jeder zweite keine Arbeit habe, jeder vierte von Opiaten abhängig sei. Stattdessen werde immer noch nur über Toiletten für das dritte Geschlecht geredet.

Lilla möchte aber nicht die Aufmerksamkeit von einer Gruppe auf eine andere lenken. Stattdessen soll die gemeinsame Vision eines Landes mit einheitlichen Prinzipien betont werden sollte.

Der verklärte Blick zurück

Hier steckt laut Lilla die Gefahr und die Mitschuld der Demokraten an Trumps Wahl. Denn ein Slogan wie «Make America Great Again» bediene genau diesen Mangel an Einheitlichkeit, jedoch ausgedrückt durch die nostalgischen Rechtskonservativen: Man wünscht sich einen früheren gesellschaftlichen Zustand zurück.

Wenn Dinge schief laufen, ist die konservative Argumentation entsprechend simpel: Schuld sind nicht fehlende Visionen, sondern weil kein angemessener Rückgriff auf die Vergangenheit stattfindet.

Man müsste nur weit genug in der Geschichte zurückgehen, um aktuelle Probleme zu beseitigen. Doch so bleibt man argumentativ stets in der Vergangenheit verhaftet.

Buchhinweis

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Mark Lilla: «Der Glanz der Vergangenheit. Über den Geist der Reaktion.» NZZ libro, 2018.

Nostalgie ist eine Eigenheit des reaktionären Denkens, wie es laut Lilla auch in Europa momentan en vogue ist. Die Zündkraft liegt darin, dass die Grundidee des Reaktionismus einen Bruch in der Geschichte diagnostiziert, vor den man unbedingt zurückkehren will – weil dieser einst alle Probleme lostrat.

«So wie beispielsweise der Front National in Frankreich die Geschichte deutet, begannen die Probleme mit der Immigration und der kulturellen Revolution 1960. Für den Islamischen Staat sind die Dinge ähnlich: Islamisten denken, dass im 19. Jahrhundert eine durchgehende islamische Tradition durch die Modernisierung und den Kolonialismus zerstört wurde», so Lilla.

Gesucht: eine langfristige Vision

Während Revolutionäre also zu stark auf die Zukunft fokussieren, seien Reaktionäre mit der Vergangenheit beschäftigt. Dadurch setze sich niemand vertieft mit der Gegenwart auseinander, ist sich Lilla sicher. Es sei viel einfacher, den Leuten politische Nostalgien anstatt zukünftige Utopien zu verkaufen.

Trotzdem baut Lillas Vision von Amerika nicht auf Angst und Ressentiments. Stattdessen fokussiert sie hoffnungsvoll auf die Ressourcen, die man hat.

«Die Demokraten müssen aufhören, sich als Vertreter von einzelnen Gruppen zu verstehen», betont Lilla. «Wir müssen einen Kandidaten aufstellen mit einer grösseren und langfristigen Vision – einen, der es mit Trump aufnehmen kann.»

Mark Lilla

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Mark Lilla, geb. 1956, ist Politikwissenschaftler, Journalist und Professor für Geisteswissenschaften an der Columbia University in New York. Er ist laut Selbstzuschreibung ein «frustrierter American Liberal» und schreibt u. a. für die New York Review of Books, die New York Times, Le Monde und die Neue Zürcher Zeitung.

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