Tesla-Chef Elon Musk will mehr Redefreiheit auf Twitter. Deshalb kauft er die Nachrichten-Plattform für 44 Milliarden Dollar.
Dies sei vor allem Rhetorik, sagt Mediensoziologin Jutta Weber. Die komplette Redefreiheit gebe es auch mit Musk nicht.
SRF: Wie sinnvoll ist es, wenn alle alles sagen dürfen auf Twitter?
Jutta Weber: Es wird nie der Fall sein, dass alle alles sagen dürfen. Wir bewegen uns nicht in einem komplett offenen Raum. Bereits jetzt werden auf Twitter verschiedene Strategien gefahren, die teilweise koordiniert sind.
Ich halte es darum für eine Illusion, dass alle alles sagen können und sich alle gleichmässig beteiligen.
Die bisherigen Regulierungen auf Twitter will Elon Musk nun aufheben. Er will Redefreiheit schaffen.
Selbst, wenn es eine Redefreiheit für alle gibt: Das heisst noch nicht, dass damit die Konditionen geschaffen sind, dass wirklich alle die Redefreiheit haben. Aus der Medienwissenschaft wissen wir, dass es immer ein kleiner Teil der Gesellschaft ist, der sich an diesem Diskurs aktiv beteiligt. Die Mehrzahl liest bloss mit.
Wir bewegen uns nicht in einem machtfreien Raum.
Es ist zudem wichtig zu unterscheiden, was die Übernahme zum einen für Europa, zum anderen für die USA bedeutet. Eben wurde in der EU der «Digital Services Act» verabschiedet. Damit sollen grosse Konzerne wie Google, Amazon und Twitter eingehegt werden.
Es sollen verbindliche Richtlinien festgelegt werden, wie die Kommunikation zu gestalten ist. Diese würden zumindest für Twitter in Europa gelten. Wir bewegen uns da nicht in einem machtfreien Raum. Wir wissen auch, dass es auf Twitter ganze Troll-Armeen gibt, die von Regierungen oder auch von rechtsradikalen Gruppen gesteuert und genutzt werden.
Musk meinte, er werde die Trolle und die Bots entfernen, die Beschränkungen aufheben. Wie gefährlich ist es, dass Elon Musk bald Twitter besitzt?
Das sind sehr schöne Versprechungen. Aber das ist Rhetorik. Twitter bietet für Elon Musk eine grosse Plattform, wo er seine Technologiepolitik weiter vorantreiben will.
Musk macht schöne Versprechungen. Aber es ist Rhetorik.
Natürlich ist das gefährlich. Interessant ist, dass Musk ankündigte, den Account von Trump wieder freizuschalten. Trump wiederum sagte, er bleibe bei seiner «Truth Social Plattform». Schon anhand dieser Aussagen kann man gut sehen, dass es sich hier um einen Machtkampf um die digitale Hegemonie handelt.
Was bräuchte es, um diesem Machtkampf entgegenzutreten?
Es ist zu befürchten, dass sich bestimmte politische Ideologien auf einer von Musk beherrschten Plattform stärker durchsetzen. Das ist ein generelles Problem, daran wird auch das neue EU-Gesetz nichts ändern.
Es wäre wichtig, dass man die Technologien hinter den neuen Medien versteht. Was passiert auf diesen Plattformen und wie werden sie getrieben? Dafür brauchen wir eine bessere technopolitische Bildung.
Das Gespräch führte Noëmi Gradwohl.