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Eine Junge steuert sein Holzschiff durch ein Plastikmeer.
Legende: Ein Horrorszenario: Geht es weiter wie bisher, wird es 2050 genau so viel Plastik im Meer geben wie Fische. Reuters

Umweltschutz Meer ohne Müll: Die Mission eines Schweizer Millionärs

Die Stiftung «Race for Water» hat es an den Tag gebracht: Selbst weit entlegene, unbewohnte Inseln sind mit Tonnen von Plastik zugemüllt. Das Meer ist eine Plastiksuppe, sagt Stiftungsleiter Marco Simeoni. Und will es ändern – mit seinem Geld.

Da sitzt er. Breite Schultern, die Hände eines Seglers, die zupacken können: Marco Simeoni, Millionär, zum Meeresschützer geworden, weil er eines Tages diese Einsicht hatte, als sein Segelschiff vor Anker lag.

«Ich sah», erzählt er, «dass rund um mein Boot herum Plastik schwamm. Da beschloss ich, etwas zu unternehmen».

Der Schweizer Umweltschützer Marco Simeoni.
Legende: Kämpft gegen den Plastik im Meer: Marco Simeoni. Keystone

Ein Wettlauf gegen die Zeit

Marco Simeoni, 50 Jahre alt: Er war lange Jahre erfolgreicher Unternehmer, Besitzer eines IT-Unternehmens, das er 2014 an die Swisscom verkaufte. Und er war CEO einer Bootsbaufirma, die schnelle Katamarane konstruiert.

Simeoni baut eine Stiftung auf, eine Stiftung zum Schutz der Meere vor Plastik. Er nennt sie Race for Water: ein Rennen um und fürs Wasser, ein Rennen gegen die Zeit.

2015 startet er zu einer Reise rund um die Welt. 40'000 Kilometer, mit einem riesigen Trimaran und mit einem Ziel: Alle fünf Plastikwirbel der Weltmeere zu erforschen – die riesigen, sich drehenden Plastiksuppen im Nordatlantik, im Südatlantik, im Nordpazifik, im Südpazifik und im Indischen Ozean.

Gefährliches Mikroplastik

Marco Simeoni sitzt am Besprechungstisch seiner früheren Firma in der Lausanner Industriezone. Ein kahler Raum, an den Wänden einzig ein paar Fotos von Segelbooten.

Simeoni, ausgewaschenes T-Shirt, Jeans, lässt die Bilder seiner Weltumsegelung Revue passieren: Filme, die sie von den vielen Inseln gedreht haben, die das wissenschaftliche Team besucht hat.

Unbewohnte Inseln, bewohnte – überall dasselbe Bild: Strände voller Plastik. Plastikflaschen, Kanister, Harasse, Bojen, noch mehr Flaschen, Gebinde, noch mehr Kanister. Und vor allem: im Sand eine erschreckende Menge an Mikroplastik.

Plastik im Sand

An jedem Strand, den sie bei ihrer Expedition anliefen, haben die Wissenschaftler nach einer international standardisierten Methode den Sand untersucht und 50 mal 50 Zentimeter, 10 Zentimeter tief gegraben.

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Marco Simeoni zeigt eine Dose, so gross wie ein Trinkglas, mit Mikroplastik gefüllt. Drei solche Trinkgläser voll Mikroplastik hätten sie im Sand der Inseln im Schnitt gefunden. Auf einer Fläche von gerade mal 50 mal 50 Zentimeter.

Riesenmengen an zerbröseltem Plastik, vom Meer angetrieben.

Das Meer ist eine Plastiksuppe

Der Mikroplastik schwimmt draussen im Meer. Er wird von Fischen gefressen. Er verhindert die Photosynthese, die so wichtig ist für die Sauerstoffproduktion. Die kleinen Teile gelangen mit ihren giftigen Stoffen in die Nahrungsmittelkette.

Die Proben wurden durch universitäre Institute untersucht. Die Universitäten von Bordeaux, die ETH in Lausanne, amerikanische Universitäten: Sie alle arbeiten mit «Race for Water» zusammen.

Die ersten Ergebnisse werden demnächst publiziert: Sie sollen Aufschluss geben über die Herkunft dieses Plastiks. Und auch darüber, wie giftig er ist.

Gleich viel Plastik wie Fische

Marco Simeoni zeigt eine Tabelle der Ellen MacArthur Foundation. Sie zeigt: Heute beträgt das Verhältnis von Tonnagen Plastik im Meer zum Gesamtgewicht an Fischen 1 zu 5. Geht es so weiter wie bisher, wird es im Jahr 2050 genau so viele Tonnen Plastik im Meer geben wie Fische.

Eine Plastiksuppe sei unser Meer, sagt Simeoni.

Man müsse das Übel an Land packen. In den grossen Städten, vor allem. Denn mehr als die Hälfte der Menschheit lebe in grossen Städten am Meer. Zum grossen Teil Städte, die mit der Bewältigung des Mülls nicht klarkommen.

Allein fünf Länder sind für den grossen Teil des Plastikmülls im Meer verantwortlich: China, Indonesien, Philippinen, Sri Lanka und Vietnam. Die Stiftung «Race for Water» will zeigen, dass Plastik einen Wert hat, und dass man mit Plastik Geld verdienen kann. Aber wie?

Gas aus Plastik

Zuerst soll Plastik gesammelt werden. Gegen Geld, selbstverständlich. Dann soll das Plastik mit einer neu entwickelten Technologie zu synthetischem Gas transformiert werden, um es dann in einer Gasturbine zu Strom zu machen.

Zwei Schiffe, viel Plastikmüll: Hafenszene in China.
Legende: Zwei Schiffe, viel Plastikmüll: «Hafenidyll» in China. Keystone

Marco Simeoni spricht von einem effizienten System, das heute schon funktioniert. Es ist erprobt, hat in einem Container Platz, kann auch mobil eingesetzt werden. Und es hat diesen Vorteil: Es verarbeitet auch Plastik, das aus dem Meer gefischt wurde, das versalzen, spröde geworden ist.

Nun sucht Simeoni Sponsoren, Unterstützer für seine Idee. Aber, betont er,

es sei frustrierend zu sehen, dass nur wenige sich mobilisieren. Sponsoren gebe es bei Unternehmen kaum. Für sie sei das Thema Plastikmüll einfach zu wenig sexy. Aber er gibt nicht auf.

Eine neue Weltumrundung

2017 startet er wieder. Diesmal nicht mit einem Segelboot, sondern mit dem Solarschiff Solar Planet, das mit Solarzellen unterwegs ist. Mit einem Kitesegel und mit neuester Wasserstofftechnologie ausgerüstet.

Diesmal mit einem neuen wissenschaftlichen Programm, bei dem es darum geht, direkt die Auswirkungen des Plastiks auf die Lebewesen, vor allem auf das Plankton zu untersuchen.

Fünf Jahre will Marco Simeoni unterwegs sein, um für den Schutz des Meeres zu werben, und für den Aufbau von Gaskraftwerken, die mit Plastik funktionieren; mit Unterstützung unter anderem der UNESCO und des UNO-Umweltprogramms.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 30.11.2016, 9.02 Uhr.

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