Da gilt es eine Professorenstelle an der Universität Zürich neu zu besetzen – und nur ein einziger Kandidat wird zum zum Vorstellungstermin eingeladen. Es geht um den Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft. Derzeit hat ihn Barbara Naumann inne.
Der einzig eingeladene Kandidat heisst Philipp Theisohn, ist ausgewiesener Kenner deutscher und europäischer Literaturgeschichte vom 13. bis zum 21. Jahrhundert und bereits Professor an der Universität. Er soll am kommenden Freitag seine Probevorlesung halten.
Alles nach Reglement
Aber warum kann eine Professorenstelle, die langfristig besetzt wird, ohne öffentliche Ausschreibung vergeben werden? Dieses Berufungsverfahren sei ein ganz normaler Vorgang, sagt Kurt Bodenmüller von der Kommunikationsabteilung der Universität Zürich. «In diesem konkreten Fall läuft alles nach Reglement.»
Doch worum geht’s hier eigentlich genau? Laut der Universitätsordnung muss eine Professur öffentlich und möglichst international ausgeschrieben werden. In diesem Fall aber ist weder in Tages- und Wochenzeitungen noch auf der eigenen Homepage unter «laufende Berufungsverfahren» etwas von einer Stelle für Neuere deutsche Literaturwissenschaft zu lesen.
«Es gibt zwei Varianten, eine Professur zu besetzen», erklärt Bodenmüller. «Die erste ist: Der Lehrstuhl wird ausgeschrieben und dann können sich Kandidaten bewerben. Die zweite: Direktberufungen, bei der eine Ausschreibung wegfällt.»
Keine Evaluation beim Direktberufungsverfahren
Über Direktberufungen heisst es in der Universitätsordnung: «In dringenden Fällen kann die Fakultät im Einverständnis mit der Universitätsleitung ein Direktberufungsverfahren ohne Evaluation mehrerer Kandidatinnen und Kandidaten einleiten.»
Was heisst in dringenden Fällen? Bodenmüller sagt: «Dieser Paragraf kommt eigentlich in Fällen zur Anwendung, wenn man eine Kandidatin oder einen Kandidaten aufgrund ihrer Exzellenz, aufgrund ihrer Eignung unbedingt an die Universität Zürich berufen möchte.» Oder dieser Kandidat drohe abgeworben zu werden, indem er von einer anderen Universität einen Ruf erhält.
Die Förderprofessur von Philipp Theisohn wird derzeit vom Schweizer Nationalfonds finanziert und ist befristet. Da Theisohn in Hochschulkreisen mittlerweile einen guten Ruf innehat, will man offenbar viel geben, um ihn zu halten. In Fachkreisen nennt man das martialisch «Rufabwehr» oder milder «Bleibeverfahren». Doch: Wenn etwas legal ist, ist es dann auch legitim?
Schreiben an Berufungskommission
Was die Studierendenschaft dazu meint, bleibt offen. Sie will sich dazu nicht öffentlich äussern, hat aber, so die Kommunikationsabteilung, ein Schreiben an den Vorsitzenden der Berufungskommission verfasst. Auch die Berufungskommission will keine Stellungnahme abgeben und Theisohn selbst will das Verfahren auch nicht kommentieren.
Ob es also noch für andere Kandidatinnen und Kandidaten geöffnet wird, ist fraglich. «Zu laufenden Berufungsverfahren können wir leider keine Auskunft geben, bis die Kandidaten dann vom Universitätsrat definitiv gewählt worden sind.»
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 17.4.2018, 17:10 Uhr