Seit letztem November sind wir acht Milliarden Menschen. Für viele ist das eine besorgniserregende Zahl. Zumal das Wachstum weiter geht: Prognosen der UNO besagen, dass 2050 über neun Milliarden die Erde bevölkern werden.
Mehr Menschen bedeuten mehr Emissionen, soviel ist klar. Allerdings macht es einen grossen Unterschied, wo die Bevölkerung zulegt. Böden, Gewässer und Klima werden weniger durch die Anzahl Menschen belastet, als durch ungebremsten Konsum. Seit 1950 ist die menschliche Gesamtpopulation um den Faktor 3 gewachsen, das globale BIP je nach Rechnung um den Faktor 14.
Dass die Frage nach der Tragfähigkeit unseres Planeten auch von unserem Lebensstil abhängt, ist einhellig anerkannt. Gemäss UNO könnten wir auch zehn Milliarden Menschen problemlos ernähren, wenn wir weniger Boden zur Produktion von Futtermitteln nutzen würden.
Sorge vor dem Schrumpf-Schock
Die Frage, ob wir bald zu viele sind, wird sich jedoch den Prognosen der UNO zufolge gegen Ende des Jahrhunderts von selbst erledigen: 2090 werde mit 10.4 Milliarden Menschen der Höchststand erreicht, danach schrumpfe die Weltbevölkerung.
Den Kanadiern Darrell Bricker und John Ibbitson macht dieses Szenario Sorgen. In ihrem Buch «Empty Planet. The Shock of Global Population Decline» (2019) schreiben sie: Zwar könne sich die Umwelt dann ein Stück weit erholen, der Wohlstand breche aber weltweit ein, weil Produktion und Konsum schrumpfen und wir als Gesellschaft überaltern würden.
In der Schweiz werden seit 2019 jährlich mehr Personen pensioniert als ins Erwerbsleben vorstossen. Wer hält in Zukunft die Wirtschaft am Laufen? In der Schweiz mag diese Frage derzeit noch vielen absurd erscheinen. Die Menschen hierzulande leiden unter Dichtestress und fürchten eine 10-Millionen-Schweiz. Dabei geht vergessen, dass unser Land nur dank Zuwanderung wächst.
Zwischen Dichte und Ökologie
Die Länder, aus denen Fachkräfte in unseren Arbeitsmarkt einwandern, werden bald alles tun, um die eigenen Leute zurückzuholen. Europa schrumpft nahezu überall. Nicht alle sehen das als Problem. Einige hoffen auf eine «Gesundschrumpfung»: ein neues Gleichgewicht zwischen Bevölkerungsdichte und Ökologie.
Wo dieses Gleichgewicht anzusiedeln ist, ist allerdings keine rein empirische Frage. In seinem Buch «Die Zukunft der Menschheit: Soll es uns weiter geben?» (2023) schreibt der Philosoph Tim Henning: Zu viele Menschen seien wir erst, wenn ein gutes Leben wegen der Bevölkerungsdichte nicht mehr gesichert sei.
Diese Sicherung hängt nicht zuletzt von der Güterverteilung ab. Es wäre durchaus möglich, die Entwicklungshilfe zu erhöhen. Zumal Studien belegen, dass Bildungsoffensiven in ärmeren Regionen die Geburtenrate senken.
Kolonialsehnsüchte im Kosmos
Nicht alle Philosophinnen und Philosophen sehen ein weiteres Bevölkerungswachstum allerdings problematisch. Im Gegenteil: Eine noch junge Strömung namens «Longtermism» hält es für ein grosses Problem, wenn nicht allen Menschen, die Aussicht auf ein gutes Leben hätten, auch tatsächlich zur Existenz verholfen wird.
Sie plädieren dafür, alle Energien in die Zukunft einer wachsenden Menschheit zu investieren. Dazu gehört für sie auch, nach alternativen Heimstätten in fernen Galaxien zu suchen.
Das verschafft den Longtermists viele Fans im Silicon Valley. Zu ihren Unterstützern sollen Peter Thiel und Elon Musk gehören. Letzterer träumt bekanntlich von einer Expedition zum Mars.
Fokus auf das Hier und Jetzt legen
Tim Henning distanziert sich von den Schlüssen der Longtermists: Auch wenn ein Menschenleben sehr glücklich verlaufen kann, haben wir keine Pflicht, mehr Menschen zu zeugen, erklärt er.
Denn wenn wir einen Menschen nicht zur Welt bringen, wird er oder sie sich später auch nicht beklagen können, nicht am Leben zu sein. Nach dem Motto: Wo kein Kläger, da kein Richter! Damit grenzt sich Henning ab vom Utilitarismus, auf dem der «Longtermism» beruht. Diese Moraltheorie verlangt, dass wir stets jene Handlung vollbringen, die das grösstmögliche Glück in die Welt bringt.
Für Tim Henning sind wir jedoch nicht verpflichtet, in allem, was wir tun, das allgemeine Glück zu mehren. Vielmehr sollten wir uns fragen, ob wir unsere Handlungen voreinander rechtfertigen können. Vor einem Menschen, den es nie geben wird, kann ich nichts rechtfertigen. Wohl aber vor zukünftigen Generationen. Ihnen schulden wir Rechenschaft darüber, wie wir mit ihrem Zuhause, unser aller Erde, umgegangen sind.