Ihr Ding sind die Geschichten: Mit Belletristik, mit Kurzgeschichten und einem Roman hat Roxane Gay angefangen.
Heute schreibt sie auch Texte über Popkultur und Politik, und landet damit in den USA auf Bestseller-Listen, ist Gastprofessorin für Kreatives Schreiben in Yale, verfasst Comics, hat einen Podcast, ein Online-Magazin, twittert wie wild, tritt in Talkshows auf ... Ist das nicht ein bisschen viel?
«Come on – ich kann über alles reden. Ich habe einen Ph.D.!», scherzt Roxane Gay beim Gespräch in der Lobby eines Zürcher Nobelhotels.
Diese Selbstironie: typisch Roxane Gay.
Rap im Ohr, Gleichstellung im Sinn
Dass sie heute in den USA im Gespräch ist, vor allem wenn es um Fragen von Körper, Geschlecht und Herkunft geht, das hat vor allem mit dem Erfolg ihrer Essays zu tun. Lange publizierte sie ihre Texte online. 2014 erschienen einige Dutzend unter dem Titel «Bad Feminist» als Buch.
Es wurde zum Bestseller. Nicht zuletzt, weil Roxane Gay sich hier mit Witz und Nachdruck als Feministin bezeichnet, die vieles tut, was Feministinnen eigentlich nicht tun: etwa gerne derben Rap hören oder die Vogue verschlingen.
I am a bad feminist: Ich bin eine schlechte Feministin. Ich bin lieber eine schlechte als gar keine Feministin.
«Ich bin Feministin – aber alles andere als perfekt. Dafür wollte ich Raum schaffen», sagt Gay.
Immer aus eigenem Blick
Die Selbstbezeichnung «Bad Feminist» erschien ihr dafür «super catchy». Darin stecke aber auch ihre Kritik am «guten Feminismus», der nicht-weisse Frauen, die nicht aus der Mittelklasse stammen, oft ausschliesse.
Ihre Texte dagegen sind immer aus jener Perspektive geschrieben. Wenn Roxane Gay in «Bad Feminist» über Scrabble oder Tarantino schreibt, populäre Filme, Serien und Stars analysiert, dann tut sie das stets vor dem Hintergrund ihrer eigenen Identität: als schwarze Frau, als Kind haitianischer Einwanderer, als Ausnahme im akademischen Zirkel.
Die Pille versüssen
Statt auf Moralfinger und abgehobene Diskurse setzt Gay auf persönliche Nähe, Zwischentöne und Zweifel. Und eben: auf Selbstironie.
Man erreiche mehr Menschen, wenn man sich selbst menschlich mache, erklärt Gay: «Humor ist das Zückerchen, mit dem sich jede Pille leichter schlucken lässt.»
Wobei es ihr mit den «Pillen», die sie der Gesellschaft verordnet, durchaus ernst ist: Sie fordert etwa mehr Selbstbestimmung über den eigenen Körper. Oder weniger Bodyshaming.
Geschichte einer Fressucht
Ihre eigene Person stellt Roxane Gay auch in ihrem neusten Buch «Hunger» ins Zentrum. Nur ist diesmal der Ton viel ernster: Sie denkt anhand ihrer eigenen Biografie über Fettleibigkeit und Körperideale nach.
Als Jugendliche wurde Roxane Gay vergewaltigt – und reagierte, indem sie Essen in sich hineinstopfte, ihren Körper massiger werden liess, unattraktiver und vor allem: unverletzbarer.
Das Buch ist harte Kost – und ein voller Erfolg.
«Happy Place» des Erzählens
Roxane Gays Liebe bleiben aber die Geschichten. «Belletristik war mein erstes Genre und meine erste Liebe. Wenn ich sie schreibe, bin ich an meinem ‹Happy Place›.»
Bleibt zu hoffen, dass man auch ihre Fiktion bald auf Deutsch entdecken kann. Etwa ihre bizarren Kurzgeschichten über «Difficult Women», schwierige Frauen.
Oder den Marvel-Comic «World of Wakanda» über – Zitat Roxane Gay – «Kriegerinnen, die in Ärsche treten, und dabei queer und grossartig sind.» Als Teil der «Black Panther»-Serie war dieser immerhin eine der Vorlagen für einen der erfolgreichsten Filme des letzten Jahres.