Wir müssen zusammenrücken: Anders wird es nicht gehen in einer Stadt wie Zürich, die stetig weiter wächst. Bis 2040 werden in Zürich 70'000 zusätzliche Menschen erwartet – und die müssen irgendwo wohnen. Das wird eng.
Eine Stadt, die nur noch von einer Elite reicher Menschen bewohnt wird, ist eine uninteressante Stadt.
Was tun? Für Jennifer Duyne Barenstein, Sozialwissenschaftlerin und Leiterin des ETH-Wohnforums, steht fest: «Eine substanzielle Verdichtung erreichen wir nicht, indem wir einfach bestehende Gebäude renovieren oder einfach noch ein paar Stockwerke aufbauen.» Und die letzten Grünflächen zuzubetonieren ist auch keine Lösung.
Mehr Menschen auf gleicher Fläche
Also werden ältere Liegenschaften abgerissen und durch neue ersetzt. Die neuen Gebäude sollen auf gleicher Fläche Wohnungen für mehr Menschen bieten. So zumindest die Theorie, die Praxis ist komplizierter.
Das ETH-Wohnforum hat vier Projekte solcher «Ersatzneubauten» untersucht und dabei auch die sozialen Folgen angeschaut. Also Fragen wie: Wurden die bisherigen Mieterinnen und Mieter sorgfältig informiert? Wurden sie in den Prozess miteinbezogen? Haben die Leute ein Anrecht auf eine Wohnung im neuen Gebäude? Und wie entwickeln sich die Mieten im Neubau?
Verdrängung kann traumatisch sein
Laut der ETH-Untersuchung sind ältere Gebäude vor allem von älteren Menschen bewohnt. Ein Umzug sei für die Betroffenen immer schlimm, auch wenn der Abbruch und Neubau legitim sind. Aber: «Es gibt grosse Unterschiede, in der Art und Weise, wie mit den Mietenden umgegangen wird», sagt Duyne Barenstein.
Frappierend sei der Befund, dass das eigentliche Primärziel der Verdichtung oft gar nicht erreicht werde und es letztlich gar nicht mehr Wohnungen gebe. Manchmal würden Gebäude ersetzt, um grösseren und somit teurere Wohnungen zu bauen, um damit mehr Profit zu erzielen, so Duyne Barenstein
Das Ergebnis ist die oft zitierte Gentrifizierung, eine Entwicklung, die viele prosperierende Städte kennen. Wenn die Wirtschaft brummt, kommen Menschen, die gut verdienen. Preiswerter Wohnraum wird durch neue Wohnungen ersetzt, die für einkommensschwächere Menschen nicht mehr erschwinglich sind.
Eine Zauberlösung für die Städteplanung der Zukunft gibt es nicht. Jennifer Duyne Barenstein ist sich jedoch sicher, dass die Städte eine aktive Rolle bei der Planung einnehmen müssen, um ihre Vielfalt zu erhalten. Sonst werden sozial schwächere Gruppen irgendwann aus den Metropolen verdrängt. Das sei unsozial, sagt die Forscherin, aber auch langweilig: «Eine Stadt, die nur noch von einer Elite reicher Menschen bewohnt wird, ist auch eine uninteressante Stadt.»
Um das zu verhindern, steht Zürich im internationalen Vergleich immerhin gut da: Rund ein Drittel der Wohnungen in der Stadt sind bereits gemeinnützige Wohnungen.