Er ist ein gefragter Redner an kulturellen und politischen Grossanlässen auf der ganzen Welt. Doch Achille Mbembe gibt sich bescheiden.
Die Welt sei unübersichtlich geworden, deshalb gebe es wohl gerade eine grosse Nachfrage nach fundierter Gesellschaftsanalyse: «Viele Menschen auf der ganzen Welt fragen sich, wohin unsere Welt gerade zusteuert und wie wir das Ruder rumreissen können.»
Schon in der Einleitung seines neuen Buches benennt er, um was es ihm geht: Die Welt auf dem Prüfstand. Die Ausgangslage seiner Analyse ist einfach. Durch die Globalisierung sei die Welt immer kleiner geworden und wir haben sie durch unseren Lebensstandard ausgebeutet.
Mbembe schliesst daraus: «Wir haben nur diese Welt, deshalb sollten wir besser auf sie aufpassen, damit sie für alle bewohnbar bleibt».
Planetarische Verstrickungen
Von hier aus verknüpft er klimapolitische, historische und kulturelle Argumentationslinien, um den Zustand der Welt und ihre «planetarischen Verstrickungen» aufzumalen.
Denn, davon ist Achille Mbembe überzeugt, es gibt kaum noch lokale Herausforderungen, die keine globalen Konsequenzen haben.
Mbembe selbst bezeichnet sein Buch einen «kurzen Essay, der aus hingeworfenen Skizzen und parallelen Kapiteln besteht, aus mehr oder weniger durchgezogenen Linien und zahlreichen Punkten, aus lebhaften und rasch ausgeführten Strichen oder gar leichten Rückzugsbewegungen, gefolgt von plötzlichen Kehrtwenden.» Dementsprechend aufregend und anregend ist die Lektüre.
Radikale Gesellschaftskritik
Der politische Philosoph bringt in seiner Analyse unterschiedliche Perspektiven ins Spiel, um die grossen Fragen nach der Globalisierung, der Klimapolitik, den Migrationsbewegungen und dem zunehmenden Fremdenhass immer wieder neu zu umkreisen und miteinander in Verbindung zu bringen. Und thematisiert damit nicht zuletzt eine Krise der Demokratie.
Ein Anliegen zieht sich dabei durch: «Wir sollten uns nicht auf Unterschiede, sondern vielmehr aufs Gemeinsame beziehen, auf eine grundlegende Menschlichkeit, die nicht davon abhängt, wo wir geboren sind und welche Nationalität wir haben.»
Mit den Identitätsdebatten, die in den letzten Jahren viel Raum in kulturellen und politischen Debatten eingenommen haben, geht er hart ins Gericht. «Wir haben mit der sogenannten Identitätspolitik einen ziemlichen Scherbenhaufen angerichtet. Identität ist zu einem vergifteten Begriff, Identitätspolitik zu einer spaltenden Politik geworden. Im Namen der Identität werden Mauern errichtet und Gefängnisse aufgebaut.» Und deshalb schlägt Mbembe vor: «Wir brauchen dringend ein Moratorium in Sachen Identitätspolitik!»
Die Ethik des Passanten
Seine Hoffnung liegt bei den Künstlern, Intellektuellen, kleinen Kollektiven und sozialen Kooperationen auf der ganzen Welt, die versuchen, die Vorstellung einer möglichen – anderen – Welt in die Zukunft zu projizieren, um dem «selbstmörderischen Trend, in dem wir gefangen sind, etwas entgegenzustellen.»
Als Abkehr von der heute vorherrschenden «Politik der Feindschaft» bringt Achille Mbembe am Schluss seines aktuellen Buches die Denkfigur des «Passanten» ins Spiel. «Der Passant ist kein Migrant oder Nomade, sondern eine Figur, die unterwegs ist und dieses Unterwegssein ernst nimmt, in dem sie für Unvorhersehbares offen bleibt.»
Es gehe um eine Haltung, eine innere Verfasstheit und Freiheit, die schliesslich auch den Kern des Menschseins ausmache.