- 2016 sind so viele Pelzfelle in die Schweiz geliefert worden wie seit 24 Jahren nicht mehr: 463,5 Tonnen – davon die Hälfte aus Asien.
- Am Zoll werden nicht alle Felle erfasst: Die Dunkelziffer ist deshalb laut Tierschützern hoch.
- Kürschner Thomas von der Au, der als einziger noch Nachwuchs ausbildet, kann jedoch keinen Pelzboom feststellen.
Wenn Nadja Brodmann vom Zürcher Tierschutz durch die Strassen geht, sieht sie vor allem eines: überall Pelz – ob als Bommel an der Mütze, als Kragen am Mantel oder als Besatz an der Kapuze, sagt die Tierschützerin und Zoologin. Seit 2012 immer mehr. Besorgt beobachtet sie diesen Trend und hält fest: «Wer Pelz trägt, macht sich mitschuldig am Leid der Tiere.»
Unkenntnis bei den Jungen
Besonders angesagt sei Pelz bei den Jungen. Für die Tierschützerin nicht erstaunlich, denn diese Generation hätte die weltweiten Proteste der 1980er- und 1990er-Jahren gegen die Pelzindustrie nicht erlebt.
Den Jungen scheint nicht klar zu sein, unter welchen Bedingungen die Pelztiere gehalten würden. «Die Tiere vegetieren in Zuchtfarmen qualvoll dahin oder werden in äusserst brutalen Fallen erlegt», sagt sie. Und das einzig für die Mode. Das sei ethisch nicht vertretbar.
Die Schweiz trägt Pelz
Trotz allem, das Geschäft mit dem Pelz läuft offenbar. Für die Pelzhändler hat die Saison mit einer guten Nachricht angefangen: 2016 sind so viele Pelzfelle in die Schweiz geliefert worden wie seit vierzehn Jahren nicht mehr, 463.5 Tonnen – davon die Hälfte aus Asien. Das entspricht ungefähr 15 Lastwagen, wovon einer im gleichen Jahr wieder mit Exportgut ins Ausland fährt.
Grosse Dunkelziffer
Diese Zahl scheint den momentanen Pelzboom zu bestätigen. Allerdings werden am Zoll nur Waren erfasst, die entweder komplett aus Pelz bestehen, also Pelzmäntel und -jacken. Oder ganze Felle, also die gegerbte Tierhaut, die sich für die weitere Verarbeitung eignet und den grössten Teil des Imports ausmacht.
Jene Waren aber, die gerade für den Pelzboom verantwortlich gemacht werden, rutschen inkognito über die Grenze. Ein Grund dafür ist die Handhabung. Ein Pelzkragen etwa sei schlicht zu leicht und klein, um diesen extra in der Statistik aufzuführen, heisst es auf Anfrage bei der Eidgenössischen Zollverwaltung.
Statistisch nicht festgehalten
Das Prozedere wäre zu aufwändig. Sonst müsste man auch jeden Knopf aus Messing oder Holz separat notieren. Das sei nicht machbar. Deshalb werden Kleidungsstücke mit einem Pelzbesatz der Rubrik «Bekleidung» zugeordnet. Oder anders gesagt: Sind die Stücke erst einmal eingeführt, verliert sich ihre Spur in der Statistik.
Traurig, sagt die Tierschützerin. Dadurch könne das effektive Ausmass des Tierleids nicht beziffert werden. Es müsse sich um eine unvorstellbar riesige Menge handeln, die undokumentiert eingeführt werde.
Doch kein Boom?
Thomas Aus der Au lässt sich von diesen Zahlen nicht beeindrucken. Er ist diplomierter Kürschner und Vize-Präsident des Branchenverbands SwissFur: «Die Zahlen sagen überhaupt nichts aus», sagt der Pelzverarbeiter, der ein eigenes Pelzgeschäft in der dritten Generation führt. Für ihn und die anderen Kürschner in der Schweiz sei wichtig, was effektiv über den Ladentisch geht.
Wie viel das ist, kann Thomas Aus der Au aber nicht sagen, denn die Kürschner führten keine Statistik darüber, wie viel sie jährlich importieren, verarbeiten und verkaufen.
Ausbildung von Kürschner-Nachwuchs
Thomas Aus der Au kann zwar keine Angaben zur verarbeiteten Pelzmenge machen, aber er kann sagen, dass er nicht gerade einen Boom erlebe.
Früher ja, als er in den 1970er-Jahren seine Lehre als Kürschner abschloss, florierte das Pelzgeschäft. Wie es heute um sein Geschäft steht, will er nicht sagen.
An die Zukunft jedenfalls glaubt Thomas Aus der Au: Er bildet schweizweit als einziger noch Nachwuchs zu diplomierten Kürschnern aus. In der Wintersaison von Oktober bis Ende Februar haben er und seine Auszubildende alle Hände voll zu tun. Das Umändern bestehender Pelzkleidung ist eine der häufigsten Arbeiten ist - «und die Stärke unseres Fachgeschäfts», fügt Thomas aus der Au an.
Konsumenten sollen aufgeklärt werden
Die grossen Gewinner des Pelzgeschäfts scheinen die Modehäuser und Online-Shops zu sein. Aber auch Warenhäuser, die Bett- und Sofavorleger, Kissen und Decken, Spielzeug und Accessoires wie Handtaschen, Schlüsselanhänger und Pulswärmer aus Pelz verkaufen. Und eben Jacken und Mäntel mit Pelzkrägen.
Solche Unternehmen nimmt Nadja Brodmann für die Kampagne «echt Pelz - echt grausam» ins Visier. Viele deklarieren bei Pelzprodukten weder die Tierart, wo das Tier gelebt hat, noch wie es gehalten wurde. Seit 2014 ist dies aber Pflicht. So lange Pelzprodukte in der Schweiz erlaubt sind, muss der Konsument gut sichtbar darüber informiert werden, welchen Hintergrund die behaarte Kapuze an der neuen Jacke hat.
Mehr Druck auf Modehäuser
Einen Erfolg konnte der Zürcher Tierschutz mit seiner Kampagne jedenfalls bereits verbuchen: Kürzlich hat das Modehaus Globus auf Empfehlung der Tierschutzorganisation versprochen, ab Herbst 2017 keine Produkte mehr mit Pelz zu verkaufen. Der Druck auf die Modehäuser wachse, sagt Nadja Brodmann. «Sie wissen, dass sie unter Beobachtung stehen.»
Wer in der Schweiz Produkte aus Pelz herstellt oder verkauft, muss mit Kritik rechnen. So auch der Konsument. Und wie jedes Jahr wird auch in der nächsten Wintersaison die Diskussion über den Pelz aufs Neue geführt werden müssen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 09.02.2017, 08:20 Uhr.