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Porträt Barbara Schmid-Federer
Legende: Barbara Schmid-Federer im Interview über Religion in der Schweiz. ZVG

Wertedebatte Barbara Schmid-Federer: «Diffuse christliche Werte reichen nicht»

Barbara Schmid-Federer, Nationalrätin (CVP/ZH), plädiert für mehr Augenmass im Umgang mit nichtchristlichen Religionen.

SRF: Sehen Sie die Schweiz als christlich geprägtes Land?

Barbara Schmid-Federer: Ich finde es falsch, wenn man von einem christlichen Land spricht. Wir haben einen demokratischen Rechtsstaat und nicht einen religiösen Rechtsstaat. Dieser Rechtsstaat muss die Religionsfreiheit gewährleisten.

Das ist für mich das oberste Prinzip. Dann haben wir gewisse Bräuche und Feiertage, die christlicher Natur sind und die sich über längere Zeit bei uns eingebürgert haben.

Beschränkt sich der Einfluss des Christentums auf einige Bräuche?

Zur Person

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Barbara Schmid-Federer ist Nationalrätin (CVP/ZH), Präsidentin Schweizerisches Rotes Kreuz Kanton Zürich und Co-Präsidentin Parlamentarische Gruppe Familienpolitik, Bundesversammlung.

Nein. Unser Land war lange Zeit christlich geprägt – im Guten wie im Schlechten, wenn wir an die Religionskriege denken. Heute ist unsere Kultur christlich grundiert. Zwar bekennen sich rund zwei Drittel der Schweizerinnen und Schweizerinnen zu einer christlichen Konfession. Doch der Anteil der Praktizierenden von diesen zwei Dritteln liegt bei rund 10 Prozent.

Reformierte und Katholiken haben zwar die Geschichte unseres Landes geprägt: Heute sind aber alle Religionen in der Position einer Minderheit, wenn es um die religiöse Praxis geht.

Warum haben wir aktuell eine Wertedebatte?

Wertedebatten entstehen, wenn eine Gesellschaft unsicher ist oder sich bedroht fühlt wie aktuell von einer fremden Religion. Wertedebatten sind an und für sich nicht schlecht. Sie müssen aber vertieft geführt werden. Es reicht nicht, diffuse Ängste und diffuse christliche Werte zu benennen.

Wertedebatten entstehen, wenn eine Gesellschaft unsicher ist oder sich bedroht fühlt.

Sie sprechen den Islam an. Minarettverbot oder Burkaverbot, ist das der richtige Weg?

Diese Verbote sind für mich definitiv der falsche Weg. Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass Verbote sozialen Unfrieden bringen. Wir hatten zum Beispiel ein Jesuitenverbot oder das Verbot, neue Bistümer ohne staatliche Genehmigung zu schaffen. Die Verbote mussten aufgehoben werden, um den religiösen Frieden wieder herzustellen. Jetzt fangen wir erneut mit einer Verbotskultur an. Das finde ich sehr bedenklich.

In ihrem Blog lehnen Sie ein Burkaverbot ab. Warum?

Das Burkaverbot ist eine Ersatzdiskussion. Sie lenkt von den eigentlichen Problemen ab.

Von welchen Problemen?

Viele Flüchtlinge muslimischen Glaubens kommen in die Schweiz. Einige politische Kräfte wollen das verhindern, weil sie Angst haben. Wenn man dann aber mit ihnen darüber spricht, wie man zum Beispiel die Flüchtlingsströme aus Syrien verhindern kann, dann gehen sie darauf nicht ein.

Was stellen Sie der Verbotskultur entgegen?

Ich habe bereits früh andere Religionen als lebendige und positive Glaubensgemeinschaften erlebt. Die meisten Religionen stehen für Frieden und Menschlichkeit ein. Wenn Menschen Angst haben vor dem Islam, dann kennen sie nur die Schreckensszenarien von Terrorakten, aber sie kennen die Religion nicht. Das ist gefährlich.

Die meisten Religionen stehen für Frieden und Menschlichkeit ein.

Denken Sie an eine bestimmte Begegnung?

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Im Gymnasium in Zürich hatten wir einen orthodoxen Juden in der Klasse. Er durfte am Samstag nicht in die Schule kommen. Im Unterricht hat er immer die Kippa getragen. Niemand verlangte ein Verbot der Kopfbedeckung. Da habe ich gelernt: Wenn man Augenmass anwendet und den direkten Kontakt sucht, dann geht das ohne grössere Probleme.

Wo sind die Grenzen der Toleranz?

Da ist der Rechtsstaat gefragt. Wenn religiöse Praktiken unser Recht verletzen, wird das bestraft. Es gilt für alle das gleiche Recht.

Zum Beispiel Mädchenbeschneidung oder Kinderehe?

Im Nationalrat haben wir ein eigenes Gesetz gegen Mädchenbeschneidung kreiert. Sie ist in unserem Land verboten und wird verfolgt. Dasselbe gilt für Kinderehen.

Wie wurden Sie für diese Fragen sensibilisiert?

Ich bin selber als religiöse Minderheit aufgewachsen, als Katholikin in der Stadt Zürich. Wir hatten damals in den 60er- und 70er-Jahren eine sehr strenge reformierte Oberschicht. Meine Eltern wurden von gewissen Eltern gemieden.

Weil ich katholisch war, durfte mich meine Freundin nicht an den Kinderumzug des Sechseläutens mitnehmen.

Jetzt online

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«Streit um die christlichen Werte»: Die Sternstunde Religion mit dem Philosophen und Religionskritiker Michael Schmidt-Salomon ist hier online.

Weil ich katholisch war, durfte mich meine Freundin nicht an den Kinderumzug des Sechseläutens mitnehmen. Das hat mich damals sehr verletzt. Auch deshalb setze ich mich heute für Menschen ein, die ungerecht behandelt werden.

Was kann das Christentum bewirken?

Ich bin überzeugte Christin. Jesus von Nazareth hat allen Menschen geholfen, unabhängig von ihrer Religion, auch politischen oder religiösen Gegnern. Das ist die Kernbotschaft der christlichen Religion. Wenn diese christliche Norm heute gelebt würde, dann wäre der Welt sehr geholfen.

Das Gespräch führte: Norbert Bischofberger

Sendung: Sternstunde Religion vom 18.12.2016, 10.30 Uhr: Gespräch mit Michael Schmidt-Salomon

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