Neun Meter sind die meisten Stahlspaliere hoch, die der Ex-Präsident Donald Trump im Eiltempo aus dem Boden stampfen liess – auf einer Gesamtstrecke von über 700 Kilometern.
«Die Baufirmen haben fieberhaft daran gearbeitet, so viel Grenzmauer wie möglich zu errichten», sagt Dan Millis vom Sierra Club, der grössten Naturschutzorganisation in den USA.
Seit 2017 seien mehr als 16 Milliarden US-Dollar in das umstrittene Vorhaben geflossen: «Es ist eines der grössten öffentlichen Infrastrukturprojekte, die es jemals gab», so Millis.
Vom Bauwahn zum Baustopp
Trump deklarierte es als Massnahme gegen illegale Einwanderer und Drogenschmuggler. Weil ihm der Kongress nur beschränkte Mittel dafür gewährte, rief der bauwütige Staatschef den Notstand aus und zweigte Milliardensummen aus dem Militärhaushalt ab.
Sein Nachfolger Joe Biden hob den Erlass auf, kaum dass er im Amt war. Biden verfügte damit einen vorübergehenden Baustopp, der im Moment noch andauert. «Trump hat jedes einzelne Umweltgesetz ausser Kraft gesetzt, um das Projekt voranzutreiben», beklagt Laiken Jordahl. Er ist Umweltpolitologe aus dem Zentrum für Biologische Diversität in Arizona.
Mauer zerschneidet Wege von gefährdeten Tierarten
In diesem US-Bundesstaat wurden die meisten der Neun-Meter-Mauern hochgezogen. Dort hat sich eine Koalition aus Umweltschutzorganisationen, Stammesgemeinschaften und Grenzkommunen formiert. Sie will wenigstens die schlimmsten Bausünden revidieren und hat dem Weissen Haus eine Dringlichkeitsliste übermittelt.
Rund 100 Kilometer des hochaufragenden Grenzwalls sollten demnach sofort wieder abgerissen werden. Etwa die Teile in der berühmten Sonoma-Wüste. Dort verlaufen die Mauern mitten durch Nationalparks und Naturreservate.
Sie zerschnitten die Wanderwege von Jaguaren, seltenen Gabelhornantilopen und anderen gefährdeten Tierarten. Darunter sind auch Schwarzbären. Laut dem Ökologen Aaron Flesch von der Universität Arizona existieren von ihnen kleine, verstreute Bestände auf Waldinseln im Wüstengebiet: «Unter ihnen gibt es keinen Austausch mehr, seit Mauern ihre Wanderkorridore zerschneiden.»
Wüstenböden machen der Mauer zu schaffen
Gloria Smith kann sich vorstellen, dass manche Segmente auch aus Sicherheitsgründen wieder entfernt werden müssen. Die Wüstenböden vor Ort seien sehr sandig, und es komme immer wieder mal zu Starkregenfällen und Überschwemmungen, sagt die Anwältin vom Sierra Club: «Ob das beim Bau der Mauer immer berücksichtigt wurde, ist fraglich.» Teile könnten bei solchen Unwettern einstürzen, so Smith.
Es gibt Berichte, wonach das US-Heimatschutzministerium noch über mehr als 1,6 Milliarden Dollar verfügt, die für den Mauerbau gedacht waren. Gelder, die laut Dan Millis vom Kongress erst freigegeben wurden, als Joe Biden schon im Amt war: «Sie gehören jetzt in das Budget eines Präsidenten, der versprochen hat, keine Grenzmauern mehr zu bauen.»
Wie wird Joe Biden vorgehen?
Die Frage ist allerdings: Wie viel davon muss aufgewendet werden, um die Baufirmen zu entschädigen, die noch Verträge für viele weitere Zaun-Kilometer haben? Und kann Joe Biden Mittel aus diesem Topf umwidmen, um Mauern wieder niederzureissen?
Falls nicht, haben Millis und seine Mitstreiter eine Idee: Man könne die Stahlspaliere «zum Beispiel durch Autosperren ersetzen, wie sie an vielen anderen Stellen der Grenze existieren.» Diese viel flacheren Stahlzäune sind zwar für Autos unüberwindbar, Tiere aber können zwischen ihren Pfeilern hindurchschlüpfen.
Der vorläufige Baustopp an der US-Südgrenze läuft in diesen Tagen aus. Was dann geschieht, ist noch offen. Bis dahin wollte Joe Biden eigentlich geklärt wissen, welche rechtlichen Mittel es gibt, um den Bau der missliebigen Mauern endgültig zu stoppen.