Etwa 60'000 Menschen sprechen heute noch Rätoromanisch. Tendenz sinkend. Aus diesem Grund unterstützt der Bund den Kanton Graubünden jährlich mit etwa 4.5 Millionen Franken. Mit diesem Geld soll die Sprache erhalten und gefördert werden.
Eine neue Studie hat untersucht, ob das funktioniert. Mit ernüchterndem Ergebnis: Mittelfristig sei Rätoromanisch existenziell bedroht.
Rätoromanisch-Professor Rico Valär hat die Studie gelesen – und beurteilt die Empfehlungen der Studie zur Förderung einer schwindenden Sprache.
SRF: Die Studie bemängelt den Rätoromanisch-Unterricht in der Schule und empfiehlt, hier anzusetzen. Weshalb ist die Schule so zentral?
Rico Valär: Der Bildungsbereich ist ein Schlüsselbereich. Im Kindergarten und in der Primarschule werden Kinder von zugezogenen Familien mit dem Rätoromanischen vertraut und die Sprache wird allgemein verfestigt.
Damit sie sich entfalten kann, muss das Rätoromanisch aber auch in der Sekundarschule und im Gymnasium bis zur Matura unterrichtet werden.
Was müsste man hier konkret verbessern?
Der Kanton Graubünden hat beschlossen, dass es in einigen Gymnasien kein Obligatorium mehr gibt, Rätoromanisch bis zur Matura zu besuchen – selbst in Gymnasien mitten im rätoromanischen Sprachgebiet.
Rätoromanisch muss bis zur Matura unterrichtet werden.
Das führt zu Problemen bei der sogenannten Bildungskette: Denn aus diesen Maturanden werden wieder neue Lehrerinnen und Lehrer, die rätoromanische Kompetenzen auf gutem Niveau brauchen.
Es braucht genügend Studierende und gute Angebote an der Pädagogischen Hochschule und den Universitäten.
Mit Rumantsch Grischun wurde eine Art Hoch-Rätoromanisch eingeführt. Einige Medien lesen die Studie nun als Beweis, dass dieses Projekt gescheitert ist. Wie sehen Sie das?
Auch wenn Rumantsch Grischun nicht im Zentrum der Studie steht: In den Interviews mit 54 Bürgerinnen und Bürgern spürt man, dass die Einführung einer Standardsprache eine Herausforderung ist.
Der Kanton ist hier mit der relativ raschen und von oben diktierten Einführung in den Schulen nicht sehr behutsam vorgegangen.
Das Oberhalbstein (Region von Savognin) ist die einzige grosse Region, die Rumantsch Grischun momentan in der Schule unterrichtet. Gerade diese Woche wurde dort eine Initiative eingereicht, um die Sprache abzuschaffen und wieder das Idiom einzuführen.
Trotzdem besagt die Studie nicht, dass Rumantsch Grischun als Projekt gescheitert ist. Aber, dass es bei der Einführung in der Schule Probleme gab –und dass dieses Thema weiterhin grosse Sensibilität erfordert.
Die Studie macht vier Vorschläge, wie man das Rätoromanisch wieder fördern könnte. Ein Vorschlag lautet, es auch in anderen Kantonen zu lehren. Ist das in Ihren Augen realistisch?
Auf jeden Fall. Auch ausserhalb des traditionellen Sprachgebietes kann das Romanische weitergegeben werden.
Bekanntlich die grösste romanische Gemeinde ausserhalb Graubündens, mit etwa 3000 Sprecherinnen und Sprechern, ist ja Zürich. An solchen Orten muss man Angebote für rätoromanische Kinder ausbauen.
Die grösste romanische Gemeinde ist Zürich.
Zum Beispiel rätoromanische Kindertagesstätten oder Unterricht für Primarschüler am Mittwochnachmittag – wie es ihn auch für portugiesische oder spanische Kinder gibt. Diese Empfehlung erscheint mir auf jeden Fall sinnvoll.
Das Gespräch führte Igor Basic.