Insgesamt werden in der Schweiz zwei Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Wie kommt das?
Claudio Beretta: Es gibt viele Ursachen. Aber zum Konsum in den reichen Ländern kann man sagen, dass die sehr hohen Erwartungen an Frische, ans Angebot sowie ans Aussehen der Lebensmittel der Hauptgrund sind. Zudem können wir uns leisten, mehr zu kaufen als wir brauchen.
Wo gehen am meisten Lebensmittel verloren?
Fast die Hälfte der Lebensmittel geht bei den Endkonsumenten – also bei uns allen – verloren. Sei es im Haushalt oder in den Restaurants. Die andere Hälfte ist über die ganze Vorkette verteilt: Sie geht in der Landwirtschaft, in der Verarbeitung, beim Transport sowie im Detailhandel verloren.
Nehmen wir das Beispiel Brot: Wie sieht es da aus? Wo entstehen beim Brot in der Verarbeitungskette Verluste?
Ein grosser Verlust entsteht in der Mühle. Dort wird oft Getreide deklassiert und verfüttert, weil es nicht ganz optimale Backeigenschaften aufweist. Das Brötchen würde vielleicht ein bisschen zu gross oder zu feucht, aber es wäre gesundheitlich unbedenklich. Zudem entstehen in der Bäckerei Verluste. Denn die Regale müssen bis 18:30 Uhr voll sein und am nächsten Morgen möchten wir wieder frische Brötchen haben. Und auch hier gibt es die grössten Verluste beim Endkonsumenten. Wir überschätzen meist unseren Hunger, lassen uns verführen, kaufen zu viel Brot ein. Am nächsten Tag ist die Bäckerei wieder vor unserer Türe. Die Regale sind wieder voll. Und wir kaufen wieder ein frisches Gipfeli.
Sie befassen sich auch damit, was man gegen die Verschwendung tun kann. Welche Massnahmen schlagen Sie vor, um diese immensen Verluste einzudämmen?
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Es braucht Massnahmen auf allen Stufen der Lebensmittelkette. Alle Akteure müssen zusammenarbeiten. Infobroschüren alleine lösen die Probleme nicht. Wir müssen die Gewohnheiten verändern. Aber dazu braucht es mehr. Ich bin überzeugt, dass die Bildung langfristig eine sehr wichtige Rolle einnimmt. Wenig Abfall produzieren, Lebensmittelwertschätzung und mit Resten etwas Gutes kochen: Das kann im Hauswirtschaftsunterricht beigebracht werden. Exkursionen auf Bauernhöfe, wo man direkt beispielsweise Karotten erntet, sind auch eine Möglichkeit. So kann das Verhalten langfristig beeinflusst werden.
Auf der einen Seite stehen ja die Konsumenten mit ihren hohen Ansprüchen. Auf der anderen Seite ist der Detailhandel, der die krummen Karotten oder das ein Tag alte Brot anbieten muss.
Es ist immer ein Wechselspiel zwischen Angebot und Nachfrage, zwischen Laden und Konsument. Hier bestehen sehr grosse Einflussmöglichkeiten. Ich habe im Gespräch mit den Produzenten und den Detailhändlern gemerkt, dass sie die Erwartungen der Konsumenten erfüllen möchten. Und wenn jemand an der Zürcher Goldküste nach krummen Karotten fragt und sich das fünfmal wiederholt, dann werden die Detailhändlern schon morgen die krummen Karotten im Sortiment führen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 15.1.15, 17.10 Uhr