Eberhard Notter
Eberhard Notter kam am 27. November 1941 in Ostpommern zur Welt. Damals gehörte das Gebiet zu Deutschland, heute zu Polen. Sein Grossvater war aus der Schweiz nach Ostpommern ausgewandert und arbeitete als Melker. Auch sein Vater war Obermelker.
Im Krieg versuchte der Vater seine siebenköpfige Familie mit einem Schutzbrief des Schweizer Konsulats vor Übergriffen der Russen zu bewahren. Trotzdem kam es regelmässig zu Plünderungen durch russische Soldaten, an die sich Eberhard Notter noch gut erinnert – obwohl er damals sehr klein war.
Seine älteren Schwestern berichteten ihm später, dass die Mutter bei diesen Plünderungen ihr Gebiss herausnahm und sich als alte Frau verkleidete: als Schutz vor Vergewaltigungen. (Folge 1)
Eine Zeit lang hat sich die ganze Familie im Wald versteckt, aus Angst vor den Russen. Schliesslich durfte der Vater mit offizieller Erlaubnis der Besatzer weiter auf dem Gutshof arbeiten und Kühe melken.
Ein Jahr nach Kriegsende mussten sie überstürzt ihr Zuhause verlassen. Polen hatte mit der Schweiz die Rückkehr der Auslandschweizer vereinbart. Ein Rotkreuzzug sammelte sie im ganzen Gebiet ein. Die lange Zugreise ist dem damals Vierjährigen noch in lebhafter Erinnerung. (Folge 2)
In der Schweiz angekommen, musste die Familie in Quarantäne und wurde danach auseinandergerissen: Eine Schwester musste krank im Quarantänelager ausharren. Sein hörbehinderter Zwillingsbruder kam in ein Heim für Blinde und Taube und Eberhard selbst in ein Kinderheim, wo der vermutlich mangelernährte Fünfjährige aufgepäppelt wurde. Der Rest der Familie lebte in einem Rückwandererheim im Tessin, während der Vater im Aargau Arbeit fand.
Zwei Jahre nach der Ankunft in der Schweiz war die Familie wieder vereint. Eberhard Notter selbst reiste in den 1990er-Jahren zurück in sein Heimatdorf im heutigen Polen. Eine emotionale Reise in die Vergangenheit. (Folge 3)
Barbara Grünwald
Barbara Grünwald kam am 24. Juni 1939 im Deutschen Ostpreussen zur Welt. Ihr Vater, ein Molkereifachmann, lebte in zweiter Generation in der Gegend, die heute zu Polen gehört. Seine Ausbildung und die Rekrutenschule machte er in der Schweiz, danach kehrte er zurück und heiratete eine Deutsche.
Kaum war Barbara Grünwald auf der Welt, begann der Zweite Weltkrieg. Dass ihr Vater nicht in den Krieg musste, sorgte bei den Deutschen Frauen im Dorf für Neid. Der Schutzbrief des Schweizer Konsulats schützte sie aber nicht vor Übergriffen. Ihr Onkel wurde dennoch getötet. (Folge 1)
Barbara Grünwald, ihrem kleinen Bruder und ihren Eltern dagegen geschah nichts. Sie zogen immer wieder ein Dorf weiter, bevor die Front anrollte. Schliesslich wurden sie, zusammen mit dem ganzen Dorf, zur Flucht aufgefordert.
In einem improvisierten Treck flohen Frauen und Kinder mehre Wochen lang auf vereisten Strassen bis nach Mecklenburg. Dort stiess auch der Vater wieder zur Familie – er hatte zunächst den Befehl gehabt, die Molkerei weiterzuführen, floh dann aber mit dem Velo bei Minus 20 Grad und unter Beschuss eines russischen Fliegers. (Folge 2)
Von Mecklenburg aus schlug sich die Familie mit drei Koffern bis zu einem Onkel nach Österreich durch, wo der Vater sich Arbeit erhoffte. Als er nach mehrmaligem Umziehen in Österreich keine Arbeit als Molkereifachmann mehr fand, kam er nach Kriegsende mit seiner Familie in die Schweiz.
Sie mussten in Quarantäne und kamen anschliessend in ein Rückwandererheim im Kanton Bern. Später zogen sie in den Kanton Aargau, wo der Vater Arbeit fand und wo Barbara Grünwald endlich zur Ruhe kommen konnte.
Eingewöhnt habe sie sich, trotz einiger Beschimpfungen als «Sauschwabe», recht schnell. Auch ihr Bruder und die Mutter haben sich rasch angepasst. Nur der Vater, der als einziger Schweizerdeutsch sprach, tat sich schwer mit der neuen Situation. Arbeit als Molkereifachmann fand er keine mehr.
Barbara Grünwald reiste nie mehr zurück an den Ort ihrer Geburt. Das dort heute Polnisch gesprochen wird, habe sie abgeschreckt, erzählt die heute 81-Jährige. (Folge 3)