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Kirchenpräsident unter Druck: Die Mission des Gottfried Locher
Aus Rundschau vom 23.05.2018.
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Zank in reformierter Kirche Es knarrt im Kirchengebälk

Seine Äusserungen über befriedigte Männer und Prostituierte ecken an: Gottfried Locher steht kurz vor seiner Wiederwahl zum Evangelischen Kirchenbund-Präsidenten – und ist hartem Gegenwind ausgesetzt.

In wenigen Wochen wollen die Reformierten in der Schweiz eine neue Verfassung wählen. Gottfried Locher soll dann zum dritten Mal als Präsident bestätigt werden. Doch schon länger rumort es in der reformierten Welt.

In der Rundschau melden sich Kritiker zu Wort. Sie nehmen Anstoss an Lochers Idee eines «reformierten Bischofs», aber auch an sexistischen Aussagen aus dem Jahr 2015.

«Wir sollten den Prostituierten dankbar sein»

«Befriedigte Männer sind friedlichere Männer», heisst es in einem Buch über Gottfried Locher. «Darum sage ich, wir sollten den Prostituierten dankbar sein. Sie tragen auf ihre Art etwas zum Frieden bei.» Auch wenn Locher sich falsch verstanden fühlt – die Zitate hat er nie zurückgenommen.

Genau das kritisiert Sibylle Forrer. Die unter anderem durch das Wort zum Sonntag bekannte Pfarrerin gehört zu Lochers schärfsten Kritikerinnen.

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Pfarrerin Sibylle Forrer: «Glauben ist nichts für Feiglinge»
aus Focus vom 05.12.2016. Bild: SRF 3
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TV-Pfarrerin nimmt kein Blatt vor den Mund

Lochers Äusserungen seien frauenverachtend, so die 37-Jährige: «Sie nehmen die Würde der Frau nicht wahr. ‹Die Frau muss zu Diensten der Männer stehen, damit wir eine friedliche Welt haben› – das ist eine Aussage, die ich mit dem Evangelium in keiner Art und Weise in Übereinstimmung bringen kann.» Auf Twitter führt Sibylle Forrer die Diskussion weiter.

Zürcher Kirchenpräsident: «Das ist Quatsch»

Doch auch in der analogen Welt hagelt es Kritik. Der Zürcher Kirchenpräsident Michel Müller sagt zu Lochers Aussagen über befriedigte Männer: «Das ist ehrlich gesagt Quatsch. Da fühle ich mich auch als Mann blöd, wenn ich so etwas lese. Locher hat gesagt, er habe sich unklar ausgedrückt. Dann soll er sich bitte klar ausdrücken.»

Doch Locher, der sonst die mediale Bühne liebt, scheut derzeit das Rampenlicht. Der Rundschau stand er für ein Interview nicht zur Verfügung.

«Klingt schräg? Ist es auch.»

In den sozialen Medien geht die Debatte inzwischen weiter. Sibylle Forrer erhält viel Zuspruch.

Pfarrer Michael Wiesmann schreibt weiter in seinem Blog: «Können Sie sich vorstellen, wie Jesus zur Dankbarkeit gegenüber Prostituierten aufruft aufgrund ihres gesellschaftlichen Beitrages zur Befried(ig)ung der Männer? Nicht? Klingt schräg? Ist es auch.»

Sexismus ruft Hater auf den Plan

Doch Sibylle Forrer erreicht auch Kritik unterhalb der Gürtellinie. Das wundere sie nicht, sagt die Pfarrerin.

Das Thema Sexismus rufe viele Hater auf den Plan: «Ich habe nie so viele negative Nachrichten bekommen wie auf meine Forderung nach einem gleichen Lohn für Männer und Frauen», berichtet Sibylle Forrer. «Da gab es mehr Beschimpfung als bei meinem Eintreten für die Ehe für alle

Hätte eine Gegenkandidatin eine Chance?

In drei Wochen, am 17. Juni, tritt Gottfried Locher zur Wiederwahl an. Sibylle Forrer wird nicht gegen ihn antreten. «Das ist für mich momentan kein Thema», so die Theologin. Auf die Frage, ob sie mit einer Gegenkandidatin oder einem Gegenkandidaten rechnet, antwortet sie vieldeutig: «Kein Kommentar.»

Doch die Vorstellung, dass der mächtige Chef des Kirchenbundes gestürzt werden könnte, halten Kirchen-Insider für abwegig.

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