Schwarze Hose, schwarzer Überwurf: Schlichte Kleidung ist ein Kennzeichen des Zürcher Musikers und Komponisten Nik Bärtsch. Mit robusten Kleidern ist er für alle Situationen gut gewappnet.
Auch in seiner Musik verzichtet Bärtsch auf virtuose Kapriolen. Er lässt sich von einem Verständnis der Zeit inspirieren, das aus dem Zen-Buddhismus stammt. Der Pianist und Komponist über Rituale, Reduktion und den Reiz der Wiederholung.
SRF: Ihr Kleidungsstil ist schlicht, Ihre Musik sparsam. Warum ist Ihnen das Reduzieren im Leben so wichtig?
Nik Bärtsch: Ich bin an unglaublich vielen Dingen interessiert und wollte immer alles gleichzeitig machen. Ich war überfordert von diesen vielen Ideen.
Doch ein einziges Leben reicht niemals aus, um alles zu tun. Ich musste entscheiden, was mir wirklich wichtig ist, wofür ich mir Zeit nehmen möchte und mit wem ich meine Ideen teilen will. So wurde mir klar: Ich möchte weniger tun, und das dafür aber besser machen.
Mit Ritualen kann ich einen Rahmen schaffen, in dem ich kreativ werde.
Das beginnt schon bei der Entscheidung, was ich morgens anziehe. Da möchte ich nicht jeden Tag aufs Neue wählen müssen. Lieber entscheide ich mich einmal für gute Kleidung, die robust, praktisch und breit einsetzbar ist.
Ihr Alltag ist also eine Reduktion auf das Wesentliche. Wie darf ich mir das vorstellen?
Für meinen Alltag sind Rituale sehr wichtig. Mit Ritualen kann ich einen Rahmen schaffen, in dem ich kreativ werde. Beispielsweise geben meine Band und ich jeden Montagabend ein Konzert. Dieses Repetitive ermöglicht auch grosse Experimente.
«Ekstase durch Askese» lautet der Leitspruch dieser Haltung. Erst indem ich reduziere, kann ich kreativ werden. Rituale können solche asketischen Zeremonien sein.
Sie nehmen den Druck, sich stets neu erfinden zu müssen. In diesem sicheren Umfeld kann ich ungezwungen ekstatisch sein, über mich hinauswachsen.
Ist Ihr Plädoyer für Ruhe ein Gegenentwurf zu unserem hektischen Lebenswandel?
Ich kritisiere dieses westliche Ideal des ständigen Fortschritts. Ich verstehe nicht, warum ich als Künstler immer mit dem Vorangegangenen brechen sollte. Es ist doch viel spannender, bestehende Ansätze weiterzuentwickeln.
In der asiatischen Tradition der Künste steht das gemeinsame Üben im Vordergrund. Da geht es um Evolution, nicht um Revolution. Es ist diese Spannung zwischen Tradition und neuen Ideen, die mich inspiriert.
Sie ziehen die Wiederholung also dem Fortschritt vor. Wie hängt das mit Ihrer Affinität zum Zen-Buddhismus zusammen?
In der Musik wie in der Zen-Meditation geht es darum, vollkommen präsent im Moment zu sein. Das repetitive Arbeiten erlaubt mir, äusserst aufmerksam und sorgfältig zu sein. In diesem Zustand nimmt man unglaubliche Feinheiten wahr.
Ruhe und Wiederholung sind ein Glaube an das Potenzial, das sich aus den einfachsten Dingen entwickeln kann. Indem ich auf das Wesentliche reduziere, kann ich die Dinge selbst sprechen lassen.
Die Ruhe, von der Sie sprechen, hört man stets in Ihrer Musik: Ihre Kompositionen haben zwar Dynamik und Tempo, aber gleichzeitig immer auch ein ruhiges Zentrum.
Ja, meine Musik ist wie das Auge im Hurrikan. Sie geht voll ab, aber gleichzeitig herrscht Ruhe und Klarheit. Sie wird nicht nervös. Darin unterscheiden wir uns von vielen anderen Bands, die sehr virtuos spielen.
Das Gespräch führte Yves Bossart. Das Interview ist die gekürzte Fassung eines längeren Gesprächs, das im Rahmen der Sendung «Sternstunde Philosophie» geführt wurde.