Obwohl die Schlägerei vor vier Jahren schlimme Folgen für ihn hatte, würde Ramon Angst (24) heute wieder genau gleich handeln: «Da überlegt man nicht lange. Weil, wenn zwei auf einen losgehen, kann man nicht einfach daneben stehen bleiben, da muss man dazwischen gehen und helfen.»
Ramon Angst, damals 19-jährig, war mit seinen Kollegen vom FC Wallisellen im Ausgang. Man wollte zusammen in Winterthur beim Busbahnhof essen gehen und war bestens gelaunt, denn am nächsten Morgen sollte es ins Trainingslager nach Rimini gehen.
Zwei junge Typen hätten sich dadurch gestört gefühlt und sie angepöbelt, erzählt Angst. Ein Wort gab das andere und es gab Schläge. Angst wollte dazwischen gehen, wurde aber so brutal zusammengeschlagen, dass er mit einem doppelten Kieferbruch ins Spital geliefert werden musste.
Ramon Angst wurde notfallmässig operiert. Eine Woche lang lag er im Spital; ein Jahr lang durfte er keinen Sport treiben. Trotzdem gibt es für den athletisch gebauten jungen Mann keinen Zweifel: «Definitiv, ich würde niemals anders handeln.»
«Man reagiert nicht mehr wie früher»
So selbstverständlich dieses couragierte Handeln für ihn selber ist, so selten kann er dieses Verhalten in seinem Umfeld beobachten. «Die heutigen Leute reagieren nicht mehr wie das früher üblich war, sondern nehmen das Natel hervor, filmen es und stellen es auf Youtube.»
Als Bub war Ramon Angst ruhig und eher schüchtern. Erst seine Arbeit bei der VideoGang habe ihn persönlich gestärkt und für Themen wie Gewalt-Prävention sensibilisiert. Die Fernsehsendung von Jugendlichen für Jugendliche versucht aufzuklären, Vorbilder zu zeigen, und kämpft unter anderem gegen Kriminalität und Gewalt.
«Das hatte einen grossen Einfluss auf mein Verhalten und mein Selbstvertrauen. Wenn man als 15-Jähriger plötzlich vor einer Kamera steht und weiss, dass einem Leute zuschauen, das hätte ich mir früher nicht vorstellen können und das hat mich geprägt.»
«Die Bereitschaft fehlt immer mehr»
Umso mehr beunruhigt ihn die zunehmende Gewalt und Aggression gerade unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Angst arbeitet neben seiner Ausbildung zum Bauführer im Sicherheitsdienst der Bahn sowie als Security-Angestellter für eine Luxus-Boutique in Zürich. Da bekommt er oft mit, was abends und nachts auf den Strassen los ist. Es gebe zwar nicht mehr Schlägereien als früher, stellt Ramon Angst fest. Aber das Niveau habe sich verändert: «Man hat keine Hemmungen mehr, kennt keine Grenzen mehr, macht immer weiter.»
Gleichzeitig erfüllt ihn mit Sorge, dass es immer weniger Zivilcourage gebe. Es sei wirklich erschreckend, wie wenig die Leute eingreifen würden, wenn etwas los sei. Das könne er jedes Wochenende im Zug oder auch bei der Arbeit beobachten. «Die Bereitschaft ist nicht da, von sich aus einzugreifen, wenn man sich selber gefährden könnte.»
Warum das so ist, kann Ramon Angst nur vermuten. Ein möglicher Grund könnte in der Mentalität vieler Schweizerinnen und Schweizer liegen: «Jeder schaut auf sein eigenes Gärtchen. Alles andere interessiert ihn nicht gross.»