Anni Lanz hat etwas Unerschrockenes an sich. Seit Mitte der 80er Jahre engagiert sie sich für die Rechte von Flüchtlingen und Sans-Papiers in der Schweiz. Auch wenn sie dafür mitunter beschimpft und geschmäht wurde, lässt sie sich nicht von ihren Überzeugungen abbringen: «Mir ist es eigentlich egal, was andere Leute über mich denken, mir ist es wichtiger, eine gewisse Konsequenz zu leben.»
Die heute 68-jährige Baslerin lebt seit Jahren in einer einfachen 3-Zimmer-Altbauwohnung im Basler Matthäus-Quartier. Ihr gefällt die Urbanität dieses Stadtteils und die Durchmischung der Bevölkerung, die mit 50 Prozent Ausländern den höchsten Ausländeranteil in der ganzen Schweiz aufweist.
«Man darf nicht wegschauen»
Hier hat sie auch immer wieder Migranten untergebracht, denen beispielsweise die Zwangsausschaffung drohte oder mit denen sie schlicht Mitleid hat, wie mit den zwei Frauen aus Eritrea, die auf ihren Asylentscheid warten und die Anni Lanz nun bei sich aufgenommen hat. «Sie leben seit zwei Jahren unterirdisch in einem Zivilschutzkeller – grauenhaft. Sie sind so froh, dass sie jetzt in einer normalen Wohnung sein können.»
Dass es so etwas wie Menschenrechte gibt und dass diese Grundrechte auch für Menschen auf der Flucht gelten, das hat Anni Lanz von ihren Eltern vorgelebt bekommen. «Sie haben mich gelehrt, dass alle Menschen gleich wichtig und gleich wertvoll sind und dass wenn jemand in Gefahr ist, dass man nicht wegschauen, sondern helfen soll.»
Engagierte Menschenrechtlerin
Ihr Engagement für die Rechte von Migranten hat sich erst später entwickelt. Zunächst begann Anni Lanz eine Ausbildung als Zeichnungslehrerin und heiratete Mitte zwanzig ihren Schulfreund Niklaus Lanz. Sie realisierte jedoch bald, dass Waschen, Kochen und den Haushalt führen sie nicht erfüllt.
So studierte Anni Lanz Soziologie, wurde politisch aktiv und engagierte sich für die Frauenbewegung. «Ich bin mit einem traditionellen Rollenbild aufgewachsen und habe sehr darunter gelitten», erklärt Anni Lanz. «Und ich habe entdeckt, dass ich sehr viele Fähigkeiten in mir habe, die ich entwickeln und ausleben darf. Das war im Rahmen der Frauenbewegung. Und für mich haben Menschenrechte auch diesen emanzipativen Kern. Jeder Mensch sollte seine Fähigkeiten entwickeln und leben dürfen.»
Menschen eine Chance geben
Auch Flüchtlinge, so Anni Lanz' Überzeugung, sollen die Chance haben, mit der eigenen Geschichte und dem eigenen Schicksal wahrgenommen zu werden. Dafür kämpft die Menschenrechtlerin bis heute. Bereits in den 80er Jahren hat sie mit türkischen und kurdischen Migrantinnen ein Beratungsbüro eröffnet. Als es zu den ersten Zwangsausschaffungen kam, hat sie Flüchtlinge bei sich versteckt. Sie begleitete Asylsuchende zu den Behörden, verfasste juristische Beschwerden und besuchte abgewiesene Migranten in der Ausschaffungshaft.
Berufung wird zum Beruf
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Zwischen 1996 und 2003 machte Anni Lanz ihr Engagement zum Beruf und hat als politische Sekretärin bei der migrationspolitischen Organisation Solidarité sans Frontières gearbeitet. In dieser Funktion baute sie in Basel auch eine Anlaufstelle für Sans-Papiers, das Solidaritätsnetz, auf.
Als unter Bundesrat Blocher Asylsuchenden mit Nichteintretens-Entscheid die Sozialhilfe gestrichen wurde, organisierte Anni Lanz Unterkünfte für Obdachlose. Und sie war sich nicht zu schade, in ihrer Dreizimmerwohnung selbst bis zu acht Personen unterzubringen, die sonst unter der Brücke hätten hausen müssen. «Die hätten sich ja erkälten und krank werden können, und dann habe ich hier diese Leute aufgenommen.»
«Sanktionen gehören dazu»
Dass Anni Lanz für ihr Engagement Schmähbriefe erhalten hat, dass die Polizei die Nachbarn nach ihr ausfragte und die Bundesbehörden gar eine Fiche über sie anlegten, all das konnte Anni Lanz bis heute nicht von ihrem Engagement abhalten. «Es ist klar, wenn man so etwas macht, dass man bestraft wird, also dass es Sanktionen gibt, aber das ist ja nicht so schrecklich.»
Sehr schade findet sie dagegen, dass viele Menschen heute Angst hätte, das Zusammenleben mit Menschen anderer Kulturen zu wagen. Denn in den 80ern sei das Engagement für Flüchtlinge noch eine breite Bewegung gewesen. «Das vermisse ich, dass die Leute neugierig sind, etwas Neues probieren, bei dem man nicht von Anfang an weiss, was dabei herauskommt.»