Gemeinsam kochen, sich an einen Tisch setzen, zusammen essen: Das kann sogar Konflikte lösen, die tief sitzen. Oder wenigstens erste Gespräche anschieben. Diese Überzeugung stand am Anfang von Cuisine sans frontières.
Was hat die Organisation erreicht, die in Krisenregionen in aller Welt gastronomische Treffpunkte einrichtet? Cuisine sans frontières-Gründer David Höner über Kochen in Krisengebieten.
SRF: Ihr Erfahrungsbericht in Buchform trägt den Titel «Kochen ist Politik». Was meinen Sie damit?
David Höner: Kochen ist Politik! Das meine ich damit. (lacht) Wenn Politik die Wissenschaft ist, Gemeinschaft zu fördern und gemeinsame Entscheidungen zu treffen, dann ist das Kochen der Kitt, der das zusammenführen kann.
Wie kamen Sie eigentlich vor 14 Jahren auf die Idee, mit Kochen Frieden zu stiften?
Der Grund war eigene Betroffenheit. Ich hatte damals in Kolumbien zum ersten Mal ein Krisengebiet erlebt. Dort gab es keine zivilen Treffpunkte mehr.
Da ich gelernter Koch bin, dachte ich: Zusammen kochen, essen und trinken ist ein Ansatz, um gemeinsam Lösungen zu suchen.
Es wird ja oft über den Sinn von Entwicklungshilfe gestritten. Wie messen Sie Ihren Erfolg?
Wenn Projekte bestehen bleiben, dann sind wir erfolgreich. Unser erstes Projekt in Kolumbien gibt es bis heute. Genauso das erste Projekt in Afrika, das «Calabash», das bald zehnjährig ist.
Es ist doch ausserordentlich, dass sich dort verfeindete Warriors treffen, ihre Gewehre im Busch verstecken und bei uns in der Beiz eine Cola trinken.
Sie fallen sich nicht gerade in die Arme, aber sie sitzen zumindest zusammen in derselben Beiz. So können die ersten Kontakte entstehen.
Sie sind mit Ihren Projekten weltweit präsent. Warum nicht ein Fokus beispielsweise auf Afrika?
Das hat damit zu tun, dass wir auch noch Freude an der Arbeit haben wollen. Vieles hatte besonders am Anfang mit Abenteuerlust zu tun, andere Länder kennenlernen, andere Probleme: Was ist da jeweils möglich?
Und wir wollen die Projekte spätestens nach drei bis fünf Jahren einer lokalen Verwaltung übergeben, damit wir nicht mehr dauernd dort sein müssen.
Es braucht viel mehr solche Sandkörner wie unseres.
Was hat sich verändert in den 14 Jahren Bestehen von Cuisine sans frontières?
Wir sind professioneller geworden, was ich manchmal bedaure. Aber wir haben heute mehr Geld zur Verfügung, konnten das Fundraising gut ausbauen.
Im ersten Jahr hatten wir ein Jahresbudget von 12'000 Franken. Jetzt sind wir bei knapp 700'000 Franken. Eine schöne Steigerung, wenn man bedenkt, dass wir keine öffentlichen Gelder erhalten. Wir setzen auf Aktionen wie die alljährlichen «Kitchen Battles».
Wir zahlen aber keine Löhne. Die Freiwilligen, die bei uns mitmachen, haben demnach auch eine grosse Motivation.
Es braucht auch eine grosse Portion Idealismus?
Ohne geht es nicht. Was bei uns aber positiv ist: Man sieht, dass etwas getan werden kann. Man muss nicht resignieren.
Bei all dem Leid, dem Hunger, sind Sie dennoch nur ein kleines «Küchelchen». Wie gehen Sie damit um?
Ganz wichtig für mich ist immer die persönliche Begegnung. Daraus schöpfe ich persönlich ganz viel Kraft.
Wenn ein Mensch an einem Ort durch unsere Mithilfe dazu gefunden hat, dass etwas ein wenig besser funktioniert, dann relativiert dies die grossen bösen Schlagzeilen ein bisschen.
Auch wenn ich diese selbstverständlich nicht ignoriere. Ich glaube auch, es braucht viel mehr solche Sandkörner wie unseres.
Das Gespräch führte Richard Herold.