- Sadiq Khan arbeitete ursprünglich als Menschenrechtsanwalt und ist seit einem Jahr Londons Bürgermeister. Er steht für Integration.
- Khan positionierte sich klar gegen den Brexit und sieht die Folgen für seine Stadt London als schwerwiegend an.
- Er ist der Mann, der auch in schweren Zeiten die richtigen Worte findet.
Wie kaum ein anderer Politiker hat Sadiq Khan seine Herkunft und seine Andersartigkeit zum Programm gemacht. Im Wahlkampf versprach er: «Ich werde der Bub aus der Sozialsiedlung sein, der die Wohnungsnot behebt, der Sohn des Buschauffeurs, der den öffentlichen Verkehr verbilligt, und der britische Moslem, der die Extremisten bekämpft.»
Die Stimmungsmache gegen Einwanderer, die den Befürwortern des britischen Austritts aus der Europäischen Union (Brexit) wenige Wochen nach Khans Wahl zum Sieg verhalf, ist seine Sache nicht
Herkunft als Programm
Er wurde 1970 als fünftes von acht Kindern von Amanullah und Sehrun Khan in London geboren, kurz nachdem seine Eltern aus Pakistan eingewandert waren. Der Vater arbeitete 25 Jahre lang in London als Buschauffeur, die Mutter verdiente als Näherin mit Heimarbeit dazu.
Der Menschenrechts-Anwalt Khan hatte schon elf Jahre lang als Parlamentsabgeordneter für den Londoner Stadtteil Tooting und als subalterner Minister die Labour-Partei repräsentiert, als er überraschend die Kandidatur für die Nachfolge des exzentrischen Konservativen Boris Johnson errang. Johnsons zweimalige Wahl stützte sich auf seine Persönlichkeit und seinen Witz. Grundsätzlich wählt die Metropole links von der Mitte.
Erfolgloser Rufmord
Khans Rivale, der konservative Abgeordnete Zac Goldsmith, führte einen ungewöhnlich schmutzigen Wahlkampf. Der unermesslich reiche Kandidat, der wie Johnson und David Cameron die Schulen und Universitäten der privilegierten Elite durchlaufen hatte, beschuldigte Khan, ein Sympathisant von islamistischen Hasspredigern und Hetzern zu sein.
Rechtsextreme Gruppen nährten diese Kampagne, der damalige Premierminister Cameron wiederholte die Vorwürfe im Unterhaus. Doch die Behauptungen waren derart absurd, dass sie an Khan abperlten. Er ist ein gemässigter Sozialdemokrat, der die Chancengleichheit des multikulturellen Londons verkörpert.
Deshalb distanzierte er sich klar von seinem Parteichef Jeremy Corbyn, mit dessen nostalgischem Klassenkampf er wenig anfangen kann. Inzwischen gilt Khan bei vielen Gemässigten als letzte Hoffnung der Labour-Party, die sich auf eine Niederlage bei den Wahlen vom 8. Juni vorbereitet.
Wohnungsbau und Nahverkehr
Der Londoner Bürgermeister ist zum einen eine Integrationsfigur – der Amtsträger, der nach Terroranschlägen oder in Krisenzeiten die richtigen Worte findet.
Doch im Alltag hat er konkrete Aufgaben und Kompetenzen: So will Khan den Wohnungsbau beschleunigen, um den Ausschluss von sozial Schwachen aus der unbezahlbaren Stadt zu dämpfen.
Sein Versprechen allerdings, die Billetpreise für den öffentlichen Verkehr einzufrieren, konnte er nicht einhalten. Es gilt nur für Einzelfahrscheine, nicht aber für die sündhaft teuren Abonnemente.
Sadiq Khan, Bürgermeister von London
Schliesslich will Khan zusätzliche Velowege bauen lassen und die Luftverschmutzung reduzieren, namentlich durch Gebühren für ältere Diesel-Fahrzeuge.
Konkret hat er nach einem Jahr noch nicht viel vorzuweisen, aber er hat längerfristige Initiativen eingeleitet. Immerhin stoppte er Ende April das Eitelkeits-Projekt seines Vorgängers: die grüne Brücke über die Themse. Der Park auf Stelzen hatte sich zur Geldvernichtungsmaschine entwickelt.
Brexit als Bedrohung
London hatte im letzten Juni deutlich gegen den Brexit gestimmt. Der Finanzplatz hatte sich – mit Ausnahme einiger Hedge-Fund-Manager – klar für die EU ausgesprochen.
Seither unterstreicht Sadiq Khan die mögliche Bedrohung der riesigen Hauptstadt, deren Steuern letztlich das gesamte Königreich subventionieren.
Im Gegensatz zu Boris Johnson, der als Bürgermeister zur Galionsfigur der Brexit-Kampagne geworden war, betont Khan die lebenswichtigen Verflechtungen Londons mit dem Rest Europas. Doch einen Stuhl am Verhandlungstisch in Brüssel hat er vorläufig noch nicht erhalten.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 03.05.2017, 09:02 Uhr