«Airplane Noise» heisst der meistgespielte Titel von Relaxing Music Therapy bei Spotify. Fast 10 Millionen Leute haben das eine Minute und zwei Sekunden lange Stück bis jetzt gestreamt. Eine Minute und zwei Sekunden, in denen nichts anderes zu hören ist als das Rauschen von Fluggeräuschen.
Geht man davon aus, dass Spotify für jeden Stream etwas mehr als 0,003 Rappen zahlt, dann hat Relaxing Music Therapy allein mit «Airplane Noise» schon mehr als 30'000 Franken verdient.
Zwei Stunden lang «Schhh»
Das ist bei Weitem nicht die einzige Geräuschkulisse, die dieser Künstler bei Spotify zum Streamen anbietet. Allein in diesem Jahr hat er oder sie schon 110 neue Alben auf die Plattform gestellt.
Damit hat Relaxing Music Therapy auf der Plattform jeden Monat mehr als eine halbe Million Hörerinnen und Hörer – weit mehr als bekannte Schweizer Künstlerinnen und Künstler wie Stephan Eicher, Patent Ochsner oder Sophie Hunger erreichen, von denen Letztere mit gut 364'000 monatlichen Streams noch auf die grösste Zahl kommt.
Und Relaxing Music Therapy ist bei Spotify nicht die einzige Quelle für solche Geräuschkulissen. Wer zum Beispiel den Suchbegriff «Sleep Sounds» eingibt findet Künstler über Künstler mit Namen wie «White Noise Sleep Sounds», «Sleep Sounds of Nature», «ASMR Sleep Sounds» oder «Baby Sleep Sounds».
Sogar einen eigenen Podcast haben die akustischen Schlafhilfen: «Deep Sleep Sounds» veröffentlicht mehrmals pro Woche neue Folgen, in denen zum Beispiel zwei Stunden lang «Schhh»-Geräusche für Babys zu hören sind.
«Streambait» statt «Clickbait»
Ähnliche Künstler und Playlisten gibt es auch bei Apple Music, YouTube oder auf anderen Plattformen. Für das Smartphone gibt es Apps wie «MyNoise» und für Babys extra Geräte, die ans Kinderbettchen gehängt, monotones weisses Rauschen abspielen.
Doch bei Spotify treibt die Beliebtheit solcher Geräuschkulissen und Einschlafhilfen besondere Blüten: Um bei möglichst vielen Suchanfragen gefunden zu werden, greifen einige Künstler zu beschreibenden Eigennamen wie eben Relaxing Music Therapy oder Sleep Sounds.
Analog zum «Clickbait» im Internet, das Besucher mit reisserischen und oft irreführenden Titeln wie «Diese 5 Einschlaf-Tricks musst du kennen!» lockt, werden solche Streaming-Tricks auch als «Streambait» bezeichnet.
Hilfe gegen Lärm und schreiende Babys
Wie im Fall von Relaxing Music Therapy können sie helfen, mit wenig Aufwand hunderte, wenn nicht tausende von Franken im Monat zu verdienen. Denn viele Streambait-Künstler machen es sich einfach und bieten den gleichen Titel unter verschiedenen Namen gleich mehrmals an.
Doch weshalb sind solche Geräuschkulissen so beliebt? Manche Leute hören sie im Grossraumbüro auf Kopfhörern, um sich besser konzentrieren zu können. Lärmgeplagte kämpfen damit gegen Strassenlärm oder laute Stimmen des Nachtlebens. Und Eltern hoffen, dass sie ihre Neugeborenen so leichter und schneller zum Einschlafen bringen.
Ob weisses Rauschen, Regengeräusche oder das Zirpen von Grillen tasächlich beim Einschlafen und Schlafen helfen, ist wissenschaftlich nicht abschliessend bewiesen. Doch genug Menschen glauben daran, um allein bei Spotify jeden Monat Millionen Stücke mit diesen Geräuschen zu streamen.