Sir Arthur Conon Doyle war die Lust an seinem erfolgreichsten Helden sehr bald vergangen. Er liess ihn 1891 zusammen mit seinem Widersacher, dem bösen Moriarty, in die Reichenbachfälle stürzen.
Conan Doyle schrieb in sein Tagebuch: «Heute habe ich Holmes umgebracht, sonst hätte er mich gekillt». Die Leserschaft protestierte. Vehement. Fans trugen Trauerschleifen. Der Druck wurde so gewaltig, dass Conan Doyle seinen Helden wieder auferstehen lassen musste.
1968 beging man den Todestag mit Theatervorführungen am Originalschauplatz, darüber berichtete die «Antenne». Und 1991, zum hundertsten Todestag, war «Schweiz aktuell» dabei.
Und heute?
In der Figur Sherlock hatte Conan Doyle seinem Medizinprofessor Joseph Bell, bei dem er in Edinburgh studierte, ein Denkmal gesetzt. Bell war berühmt zu seiner Zeit: Er diagnostizierte bereits, da hatten die Patienten noch kein Wort gesagt und zumeist lag er richtiger, als die Patienten vermuten konnten. Wie er das wohl machte, fragte sich auch Conan Doyle, der Bells Assistent wurde. Bell wurde zu Sherlock.
Sherlock hat seit ein paar Jahren ein fulminantes Comeback mit Benedict Cumberbatch, der in einer Fernsehserie der BBC den Meistedetektiv spielt . Nicht nur er erinnert an den historischen Joseph Bell. Noch jemand: Dr. House.
Holmes durfte der nicht heissen, das war den Produzenten zu nah an Holmes, dem Wortspiel mit «Home». Aber Holmes ist die Vorlage für House: House löst medizinische Rätsel, Holmes kriminalistische. Es gibt niemand, der den beiden das Wasser reichen kann.
My Holmes, äh Home is my Castle
Sie beide sind ein bisschen Gott, zumindest ultima ratio. Beide sind soziophob, der eine spielt Klavier, der andere Geige, beide sind zeitweise ziemliche Junkies, das haben sie mit dem literarischen Original gemein. House ist nicht nur Arzt, er braucht einen.
Das Verblüffende ist nicht, dass sie die Rätsel lösen. Das wirklich Verblüffende ist, dass es niemand anderer schafft. Mit deren Dummheit allein ist das nicht zu erklären. War die Londoner Polizei in früheren Verfilmungen deutlich blöder als in der aktuellen Sherlock-Version, war auch Watson früher nicht die allerhellste Kerze, dann ist der heutige Watson doch ein kluges Kerlchen.
Und Dr. House ist von einem interdisziplinären Team umgeben. Alle sind Cracks auf ihrem Gebiet. Und trotzdem findet nur House die Lösung. Was ist da los? Egal ob Holmes oder House: EINER ist ALLEN überlegen? Dabei liegen die Daten doch für alle rational denkenden Menschen gut sichtbar auf dem Tisch. Können Holmes und House etwas, das nicht allein durch Wissenschaft zu erklären ist?
Think outside the box
Geht man durch Edinburgh, wo Conan Doyle Medizin studierte, kommt man zu einem Haus am Palmerston Place. Nähe Haymarket, im Westend. Da befindet sich das Sir Arthur Conan Doyle Centre.
Jeder dürfe eintreten, steht da, alle Ethnien, Religionen. Auch die ohne Religion dürften eintreten. Es sei ein Haus der Spiritualität. Man kann da Yoga und Awarness-Kursen machen und sich als Medium schulen lassen und andere Welten betreten.
Fragt man nach, wie all das Übersinnliche mit Sherlock zusammen passe, lächelt die Dame im Eingang, Natalie Kelly. Das sei ganz einfach, sagt sie, schliesslich habe Conan Doyle ein Grundsatzwerk über die Geschichte der Spiritualität geschrieben. Man müsse das alles zusammen denken, so wie es Conan Doyle auch getan habe. Nichts schliesse sich aus, sondern alles schliesse alles ein.
Und plötzlich machen Holmes und House einen anderen Sinn: Wenn sich Rationalität und Spiritualität nicht ausschliessen, dann ist alles denkbar. Im wahrsten Sinne des Wortes. Vielleicht finden sie in allen Daten deshalb die Lösung, weil sie wissen, dass Daten allein nicht die Welt erklären und Menschen schon gar nicht.
Dann hätte Conan Doyle etwas erdacht, das heute sehr gefragt ist: das Denken ausserhalb der vorgefertigten Wege, outside the box. Denn wie sein Sherlock immer wieder vorführt: Die Lösung liegt meist woanders, man muss nur drauf kommen.