In den 1960er-Jahren sorgten die Kunsthalle Bern und ihr damaliger Kurator Harald Szeemann für hitzige Diskussionen und viel Aufmerksamkeit bis weit über die Schweizer Grenzen hinaus. Bis heute denkt die Berner Kunstszene mit einer gewissen Wehmut an diese wilden Zeiten zurück.
Doch nicht nur in Bern haben sich die Kunstwelt und mit ihr die Rolle der Kunsthalle verändert. In diesem Jahr feiert die Kunsthalle Bern ihr 100-jähriges Bestehen. Sie wird nicht mehr ganz so heiss diskutiert, aber eine wichtige Akteurin im Kunstbetrieb ist sie noch immer.
Feste und Auktionen
Berner Künstler waren es, die vor 100 Jahren die Kunsthalle Bern gründeten. Sie wollten einen Ort haben, an dem sie ihre eigene Kunst, aber auch aktuelle Kunst aus dem In- und Ausland zeigen, sehen und diskutieren konnten.
Die Kunsthallengründer hatten zahlreiche Vorbilder. Im 19. Jahrhundert entstanden viele Kunsthallen und Kunstvereine. Geld allerdings hatten sie nicht.
Aber sie zeigen sich erfinderisch, veranstalteten Feste, Auktionen und Tombolas, um Geld zu sammeln. Am 5. Oktober 1918 konnten die Berner Kunstschaffenden ihre Kunsthalle einweihen.
Pilgerstätte für Kunstinteressierte
Die Kunsthalle Bern, die nach aussen so trutzig und gediegen aussieht, mauserte sich schnell zu einem Treffpunkt der Avantgarde.
In ihren Sälen war alles an Kunst zu sehen, was sich in den nächsten Jahrzehnten einen grossen Namen machte: von Alberto Giacometti und Paul Klee über Henry Moore und Jasper Johns bis zu Bruce Nauman, Christo und Joseph Beuys.
Die Kunsthalle Bern – für Kunstinteressierte wurde sie eine Pilgerstätte, für Kunstschaffende ein place to be. Nur manche Berner mochten das nicht so recht begreifen.
Berühmt wurde ein Ausspruch von Arnold Rüdlinger, der in den 1950er-Jahren die Kunsthalle leitete. Er befand: «Die schlichte Uninteressiertheit Berns sichert zwar keine Unterstützung, jedoch die nötige Toleranz».
Provokationen gehörten dazu
In den 1960er-Jahren forderte Harald Szeemann diese Toleranz heraus. Er organisierte Themenausstellungen wie «When Attitude Becomes Form», mit denen er das kunstferne Bern provozierte und sich in die Kunstgeschichte einschrieb. In den wilden 1960er- und 1970er-Jahren gehörten Provokationen zur Kunst wie die aufgeschäumte Milch zum Cappuccino.
Das hat sich heute verändert. Viele Aufregungen von früher haben sich verbraucht. Kunstschaffende sind keine schrägen Vögel mehr, sondern selbstverständlicher Teil der arbeitenden und steuernzahlenden Gesellschaft. Das färbt auch auf die Kunsthalle ab.
Die Kunsthalle, einst Leuchtturm der Gegenwartskunst, ist heute auch nicht mehr allein. Viele Kunstmuseen zeigen zeitgenössische Kunst. Zudem gibt es zahlreiche kleinere Kunsträume, Off-Spaces, Räume auf Zeit, die sich um die ganz junge, ganz frische, experimentelle Kunst bemühen.
Historischer Rückhalt
Die Kunsthalle Bern ist noch immer ein Ort für aktuelle Kunst. Ein Ort von vielen zwar – doch sie bleibt ein wichtiger Ort.
Eine Kunsthalle darf auch heute noch ein bisschen frischer und frecher, ein bisschen unkonventioneller als ein Museum sein. Eine Kunsthalle muss nicht nur nach grossen Namen angeln, sondern kann auch regionales und nationales Schaffen einbinden.
Und ein Ort wie die Kunsthalle Bern mit ihrer Geschichte kann dem aktuellen Kunstgeschehen auch einen historischen Rückhalt geben. Das kann richtig guttun.