Sie denken, es gibt keine weissen Flecken mehr auf der Welt? Alle Landschaften wurden schon bereist, alle Pflanzen bestimmt, alle Tiere entdeckt? Weit gefehlt! Es gibt nicht nur Tausende von Pflanzen und Tieren, die noch nie ein Mensch gesehen hat. Es gibt noch ganze unbekannte Landschaften. Und der Entdecker dieser Welt der Wunder hat einen Namen: Micronaut.
Die Schönheit des ganz Kleinen
«Micronaut» hat der Schweizer Martin Oeggerli seine Einmann-Firma in der Nähe von Basel getauft. Und der Name ist Programm: So wie der Kosmonaut das unendlich riesige All bereist, so bereist der Micronaut die Welt des unendlich Kleinen, den Mikrokosmos. Sein Pendant zum Raumschiff ist das Rasterelektronenmikroskop.
Theoretisch könnte Oeggerli seine Objekte bis zu einer Million Mal vergrössern und erhielte immer noch gestochen scharfe, zweidimensionale Schwarz-Weiss-Bilder. Doch der Micronaut will etwas anderes: Er will den Betrachter mitnehmen auf seine fantastische Reise, will ihn begeistern, fesseln und ihn die Schönheit des ganz Kleinen erleben lassen. Dafür braucht er nicht immer die höchste Vergrösserung. Für einen Basilikumblatt reicht beispielsweise das Fünfhundertfache.
Von der Wissenschaft zur Kunst
Mit den zweidimensionalen schwarz-weiss Bildern des Rasterelektronenmikroskops verlässt der Micronaut die Welt der Wissenschaft. Seine weitere Arbeit an den Bildern ist die eines Künstlers.
Zwar sind die Farben, die er seinen Bildern gibt, noch angelehnt an die natürlichen Farben. Aber sie lenken auch den Blick des Betrachters: Mit Licht und Schatten erschafft er einen räumlichen Eindruck, so, als wäre das Bild dreidimensional. Es entsteht allmählich eine Landschaft, die im Micronauten Oeggerli ganz persönliche Assoziationen wachrufen, mit denen er sein Bild dann weiter bearbeitet.
Wunderschöne Monster
Die Welt des Micronauten besteht aus Flora und Fauna. Doch auch die Tiere auf seinen Bildern sind im Original kleiner als ein Punkt in der Zeitung. Da erstaunt es, das diese Flöhe, Milben und Mikroben bei all ihrer Winzigkeit dennoch so etwas wie Individualität besitzen, es schöne und hässliche unter ihnen gibt.
Das perfekte Exemplar zu finden und es in seiner ganzen Pracht zu zeigen, braucht manchmal Monate. Doch wieviel Arbeit darin steckt, was man genau sieht und in welcher Vergrösserung spielt am Ende keine Rolle: Auch einfach beim Betrachten der Fotos – Oeggerli veröffentlicht sie in National Geographic oder Nature, aber auch in Galerien – erschliesst sich die Schönheit dieser Welt. Allein die nie gesehenen Strukturen, Formen und Farben machen die Abenteuerreise in den Mikrokosmos zu einem ästhetischen Genuss.