Mario Botta ist ein Getriebener. Einer, der immer arbeitet, auch morgens um drei. Und nicht selten entstehen dabei Sakralbauten. Seine Kirchen und Kapellen stehen in Frankreich, Italien, der Ukraine, Südkorea. Und natürlich im Tessin, wo Botta in den 1980er-Jahren die Kirche San Giovanni Battista konzipierte und den kleinen Ort Mogno schlagartig berühmt machte.
«Ich glaube an die Architektur», holt Mario Botta aus, wenn ihm die Gretchenfrage gestellt wird: «Die Architektur trägt bereits das Heilige in sich, weil sie mit dem Setzen des ersten Ziegelsteins Natur in Kultur verwandelt.» Oder anders formuliert: «Der Architekt vermittelt zwischen Himmel und Erde.»
Gotteshäuser: Orte der Stille
«Man kann seine Spiritualität zwar auch an einem Flussufer oder auf einem Berggipfel leben. Wenn eine Gemeinschaft sich aber entschliesst, ein Gotteshaus zu bauen, dann tut sie das, weil es um Kollektivität geht.»
Es seien Orte der Stille, der Reflexion und des Gebets, führt Botta aus, aber man trete auch in einen Dialog mit Gott oder einer anderen höheren Macht.
Auf die Frage, warum er so viele Gotteshäuser baue, hat er eine banale Antwort: «Weil man mich darum bittet.» Offenbar hätte sich herumgesprochen, dass seine säkularen Bauten beim Publikum ankommen. Und er nehme diese Aufträge gerne an, denn die westliche Kultur sei «sakral geprägt» und an deren Stil und Formen orientiere er sich auch in seinen eigenen Entwürfen.
Licht und Schatten
Einer der neusten Entwürfe nimmt zurzeit in der chinesischen Provinz Ningxia Form an. Mario Botta baut seine erste Moschee. Und machte dabei eine überraschende Entdeckung: «Aus der Sicht der Chinesen liegt Mekka im Westen, nicht im Osten wie bei uns in Europa. Die Moschee muss also gedreht werden, und dann fällt die Sonne nicht mehr auf dieselbe Weise ins Gebäude ein wie in Europa.»
Der Einfall des Sonnenlichts ist essentiell für viele von Bottas Bauten. Seine Gebäude enthalten oft Einschnitte oder transparente schräge elliptische Dächer, die das Sonnenlicht ins Innere der Gebäude dringen lassen. Im Falle der Moschee wird ein mit Löchern versehenenes Gebälk Licht und Schatten durch den Gebetsraum wandern lassen.
Dem Tessin verbunden
Botta ist im Mendrisiotto in der Nähe einer Ziegelei aufgewachsen. Als Kind hatte er deshalb oft den Geruch von gebranntem Lehm in der Nase, wie er erzählt: «Vielleicht habe ich dort die wundersame Verwandlung eines Erdhaufens in einen Ziegelstein entdeckt, der dann zum Bauelement wird.»
Jedenfalls wusste der junge Botta, was er wollte. Noch als Teenager entwarf er zusammen mit seinem Mentor Tita Carloni ein Kirchgemeindehaus. Und seither ist er dem Bleistift und dem Mendrisiotto treu geblieben.