Er ist der wohl meistgesehene Schweizer Film überhaupt: Die Dokumentarfilm-Installation «Rund um Rad und Schiene». Drehbuch, Kamera und Regie führte Ernst A. Heiniger – realisiert im Auftrag der SBB, für die Weltausstellung 1964.
Über vier Millionen Menschen haben an der Expo diesen Film gesehen und zwar in einer gigantischen Leinwand-Arena, die nun in Winterthur etwas kleiner nachgebaut wurde, wie Ausstellungskuratorin Katharina Rippstein sagt: «Damals hatte die zylindrische Leinwand einen Durchmesser von 26,5 Metern. Wir haben zwar nur zehn Meter, aber dennoch finde ich die Art und Weise, wie wir den Film zeigen sehr immersiv.»
Tatsächlich tauch man, nach einem kurzen Gang durch einen schwarzen Korridor, mitten im Geschehen der 1960er-Jahre wieder auf. Ein riesiger Kreis, 360°-Filmprojektion. Alles ist in Bewegung, wohin man den Kopf auch wendet: spektakuläre Bilder aus dem Inneren von riesigen Werkstätten, aus den Hörsälen von Ingenieuren, Luftaufnahmen, Kamerafahrten auf Schiffen, Autos, Eisen- und sogar Seilbahnen.
Eindrücklicher liessen sich die Möglichkeiten der neuen Technologie in den 60er-Jahre wohl kaum präsentieren. Und auch heute, im Zeitalter von Drohnenaufnahmen und Virtual Reality, hat dieser Rundum-Film nichts an Effekt eingebüsst.
Pionier, Tüftler und Autodidakt
Dessen Macher, Ernst Heiniger, kennen heutzutage nur wenige. Dabei sei er ein regelrechter Pionier der Foto- und Filmkunst in der Schweiz gewesen, so Katharina Rippstein. «Er war technisch immer auf dem neusten Stand. Heiniger war eigentlich gar nicht gelernter Fotograf, sondern ursprünglich Retuscheur. Er hat sich all diese Fähigkeiten selbst angeeignet.»
Ein Autodidakt mit einem sehr ausgeprägten Faible für die aktuellsten Technologien und Strömungen in der Kunst. Bereits in den 1930er-Jahren, einer Zeit, in der die Fotografie noch gar nicht recht als Kunstform etabliert war, sei Heiniger vorne mit dabei gewesen und habe diese Entwicklung vorangetrieben.
Doch mit der Fotografie noch nicht genug: «Heiniger hat in den 50er-Jahren angefangen für Walt Disney zu arbeiten mit dem Cinema-Scope, das ausgeprägte Breitbildformat. Dort hat er mit Farbe gearbeitet und neue Gestaltungsmittel ausprobiert», so Katharina Rippstein, die die Ausstellung «Good Morning, World» in Winterthur zusammen mit Theresa Gruber kuratiert hat.
Vielseitige Ausstellung
Ernst Heinigers sehr vielseitiges Schaffen wird in der Ausstellung chronologisch präsentiert. Den Beginn machen eindrückliche Fotografien von Natur und Menschen: Arbeiten für Heinigers Fotobücher, zum Beispiel über die Puszta-Pferde oder die Viertausender der Schweiz.
Dann aber auch Gebrauchsbilder: Industriefotografie und Werbearbeiten, insbesondere fürs Schweizer Telefonnetz. Es sind sorgfältig komponierte Schwarz-Weiss-Bilder, geprägt von klaren Linien, Kontrasten und viel Klarheit, sodass zum Beispiel die Oberfläche einer Blütenknospe fast greifbar erscheint.
Und am Schluss gibt es eben diesen 360°-Film, der schon allein einen Besuch in Winterthur wert wäre.