Gleich im Foyer der Fondation Beyeler begegnen Besucherinnen und Besucher einer von Rodins Ikonen: dem Denker. 1.80 Meter gross, fast eine Tonne schwer.
Er sitzt auf einem Stein, Ellbogen aufs Knie, die Faust unters Kinn gestützt, eine imposante Präsenz. Von diesen Monumentalversionen des Denkers gibt es einige auf der Welt.
Die in Riehen ausgestellte Version stammt aus Bielefeld. Hier könne man dem Denker nun fast auf Augenhöhe begegnen, sagt der Kurator Raphaël Bouvier: «In Bielefeld ist er auf einer sehr hohen Stele platziert. Bei uns auf einem niedrigen Sockel, sodass man ihm noch unmittelbarer begegnen kann und er eine andere Präsenz entwickelt.»
Verschiedene Künstler, verschiedene Zeiten
Dem Denker gegenüber steht eine Skulptur, Ptolemäus III, von Hans Arp, ebenfalls aus Bronze, zwei Meter gross. Eine Art abstrahierter Schädel mit leeren Augenhöhlen und Leerstellen, wo Mund und Nase wären.
Ptolemäus war ein griechischer Universalgelehrter vor knapp 2000 Jahren. Hier begegnen sich zwei nachdenkliche Männer.
Pionier des Unvollständigen
Gleich zum Auftakt zeigt die Ausstellung also einen der vielen thematischen Bezüge zwischen den beiden Bildhauern. Auguste Rodin war ein Pionier. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts fand er einen völlig neuen Umgang mit dem Körper in der Bildhauerei. Was ihn zu einem Wegbereiter der modernen Skulptur gemacht hat.
Rodins Körper sind oft nicht mehr intakt und vollendet, sondern bruchstückartig. Damit hat er ein neues Menschenbild in die Kunst eingeführt.
«Mit diesem Prinzip des Zerlegens des Körpers hat Rodin einen Meilenstein in der Entwicklung der Skulptur gelegt. Rodin hat für viele nachfolgende Künstlergeneration – bis in die zeitgenössische Kunst – als Vaterfigur gewirkt», erläutert Kurator Bouvier.
So spiele auch bei Hans Arp die Idee des bruchstückhaften Körpers eine wichtige Rolle, sagt Raphaël Bouvier. Doch bei Arp sind es abstrakte Skulpturen. Der Surrealist zersägt sie und schafft damit neue, eigenständige Werke. Solche Verwandtschaften von künstlerischem Vorgehen, Motiven und in der Formensprache gibt es in der Ausstellung viele zu entdecken.
Wenige Quellen für Bezugnahme
Beide Künstler beschäftigen sich etwa mit den Themen «Werden und Vergehen» oder mit der Verbindung von Körper und Natur. Die Parallelen verblüffen. Man fragt sich aber bisweilen: Hat Arp sich wirklich auf Rodin bezogen oder ist das eine heutige, etwas zugespitzte, Interpretation?
Denn nur bei einer Skulptur bezieht sich Hans Arp direkt im Titel auf Rodin. In anderen Werken ist der Bezug schwer belegbar – Quellen gibt es keine. «Es gibt kein Zitat von Arp, wo er sagt ‹ich habe hier Rodin studiert› oder ‹ich habe Rodin getroffen›. Das kristallisiert sich eher aus dem Werk heraus», so Bouvier.
Nichtsdestotrotz kann man in dieser Ausstellung viel über die Prinzipien der modernen Bildhauerei erfahren. Viele der ausgestellten Skulpturen sind schlicht und einfach in ihrer reinen Präsenz atemberaubend schön.