Es ist ein Zufall, dass Vermeers Meisterwerke gerade jetzt in der niederländischen Hauptstadt zu bewundern sind. Weil die Gebäude der Frick-Collection in New York renoviert werden mussten, ergab sich die Möglichkeit, drei wichtige Exponate des alten Meisters – «Dame und Dienstmagd mit Brief», «Die unterbrochene Musikstunde» sowie «der Soldat und das lachende Mädchen» – nach Europa zu holen.
Als sich weitere Museen bereit erklärten, ihre Vermeers nach Amsterdam zu entsenden, konnten die Vorbereitungen beginnen. Jetzt hängen im Reichsmuseum zu Amsterdam Vermeers aus 14 Museen und Privatkollektionen aus insgesamt 7 Ländern. Eine kunsthistorische Sensation.
Bunte grossformatige Frühwerke
Die Schau beginnt mit zwei Highlights: Das eine ist die «Ansicht von Delft». Vermeer hat darauf die Hafenfront seiner Heimatstadt in fast fotografischer Präzision wiedergegeben – mitsamt der Spiegelung im Wasser. Das andere Highlight ist «Die kleine Strasse», auf der der alte Meister das Haus seiner Tante verewigt hat.
Diese beiden Gemälde kontrastieren stark mit den nachfolgenden bunten grossformatigen Frühwerken, die an Italiener oder Flamen erinnern. Auf der Suche nach einem internationalen Stil habe Vermeer alles ausprobiert, erläutert Kurator Gregor Weber.
Das Spiel mit Drinnen und Draussen
So richtig entwickelt hat sich der alte Meister aus Delft aber erst mit seinen Innenraumansichten. Es war ihm aufgefallen, dass sein Kollege Pieter de Hooch damit Erfolg hatte.
Deshalb vertiefte sich auch Vermeer in dieses Genre. Und er begann damit zu spielen: etwa, indem er Fenster in seine Innenräume malte, aus denen jemand nach draussen schaut und so die Aussenwelt sichtbar macht. Das «Milchmädchen» ist ein Beispiel dafür, oder «Briefschreiberin und Dienstmagd».
Nur zwei Bilder pro Jahr
Die kleinen Gemälde mit den häuslichen Szenen sind nicht nur liebevoll komponiert. Sie stecken bei näherem Betrachten voller Details. Etwa dann, wenn Vermeer einen Vorhang malt, um eine Szene intimer zu gestalten. Oder einen Cupido, wenn Liebe im Spiel ist.
Von seinem Zeitgenossen Rembrandt van Rijn gibt es mehr als 350 bekannte Werke. Von Vermeer jedoch existieren nur noch deren 37. Laut Kurator Gregor Weber habe der Delfter, der 43-jährig verstorben ist, pro Jahr vielleicht zwei Bilder gemalt: «Er hat sehr viel nachgedacht über Kunst. Und er hat mit Kunst gehandelt. Er hatte also auch Geld aus anderen Quellen.»
Ausverkauft
«Vermeer näherkommen» lautet der Titel der Ausstellung. Tatsächlich werfen die 28 thematisch aufgehängten Gemälde einen sehr intimen Blick auf den Mann aus Delft. Aber die vielen Miniaturen in den dunkel gehaltenen Ausstellungsräumen stellen auch eine grosse Herausforderung für das Publikum dar.
Seit Monaten wurde diese Blockbuster-Ausstellung als «eine Chance, wie sie nur einmal im Leben vorkommt» angekündigt. Noch vor der Eröffnung wurden 200'000 Eintritte abgesetzt und zwei Tage danach war die Vermeer-Schau mit 450'000 Tickets restlos ausverkauft.
Das Reichsmuseum werde aber alles dran setzen, um in den kommenden Tagen noch zusätzliche Besucherinnen und Besucher empfangen zu können, versprach Direktor Taco Dibbits am Sonntag im niederländischen Fernsehen.