Heute kennt man Walter Pfeiffer, wenn er aufs Set kommt. Küsschen da und dort. War sein letztes Shooting für Gucci oder Bottega Veneta? Vergessen. Seine Welt ist die Welt der Luxusmarken und der gebäudehohen Werbeplakate.
Ausgerechnet er, der von unten kam, hat es geschafft. Dabei sah es nicht immer gut aus. Pfeiffer war Schaufenster-Dekorateur bei der EPA, dann Illustrator. Eher zufällig landet er bei den Polaroids. Warhol lässt grüssen.
Vergängliche Schönheit
Das erste Modell, das er fotografisch porträtierte, war ein junger androgyn wirkender Mann. Knapp kein Jugendlicher, aber noch nicht erwachsen. Die Fotoserie «Carlo Joh» (1973) wurde Pfeiffers Einstieg in die Kunstwelt. Sie führte zur ersten grossen Ausstellung in Luzern unter dem legendären Kurator Jean-Christophe Ammann.
Doch Pfeiffers Modell starb noch vor der Ausstellung. An die Stelle der Feier der Adoleszenz trat die Trauer über die Vergänglichkeit des jungen Lebens. Ab da interessieren ihn die jungen Körper, die vor Energie strotzen.
Lange ein Geheimtipp
Heute ist Pfeiffer international gefragt. Seit ihn eine einflussreiche amerikanische Agentur managt, wird er für die grossen Shootings gebucht. Die Modewelt wurde jedoch erst auf ihn aufmerksam, als er schon knapp 60 war. Davor galt er als Insidertipp.
Seine Fotos zeigten meist junge schöne Männer, immer etwas schräg, aber verführerisch in Szene gesetzt. Seine Sujets: allesamt Laien-Modelle, Freunde und Leute von der Strasse, stets am Übergang zum Erwachsenwerden.
Es ist das Triviale und zugleich Erotische, das ihn interessiert, das Übertriebene, das auch an Kitsch grenzt. Doch Kitsch mit Humor ist oft kein Kitsch mehr.
Understatement über alles
Wer Pfeiffer trifft, merkt schnell: Der 77-Jährige hat das verschmitzte Lächeln eines Teenagers. Pfeifer kokettiert mit dem Dilettantismus. Er schiesst nicht hunderte von Fotos mit einem ganzen Tross von Helfern, sondern nur ein paar.
«Gute Bilder entstehen nur, wenn etwas passiert», sagt er. Darum greift er gerne zu Utensilien, seien das Abfallsäcke, Katzen oder Diamantencolliers. Ob das noch zeitgemäss ist, scheint ihm egal. Selbst wenn er wieder aus dem grossen Modebusiness aussteigen würde, weitermachen würde er sowieso.
Gegen den Strich
Am Anfang seiner Fotografenkarriere stand jedoch das klassische Zeichnen von Aktmodellen. Für einen zeitgemässen Künstler ist das eigentlich ein Graus. Doch Pfeiffer macht es anders. Mit wenigen Strichen sind seine Modelle auf Papier gebannt. Nicht detailliert, sondern einfach.
In der Filmdokumentation «Walter Pfeiffer – Chasing Beauty» (2017) sieht man ihn zeichnend mit einem männlichen Model, das nackt auf einer Wiese posiert. Als der Bauer mit dem Traktor näherkommt, zieht sich das Model hastig die Hose wieder an. Ein typischer Walter-Pfeiffer-Moment. Das hätte ein gutes Foto ergeben.
Dass er sich in hohem Alter für junge schöne Männer interessiert, wird Pfeiffer immer wieder vorgeworfen, auch wenn er längst auch Frauen porträtiert. Doch das Alter interessiere ihn nicht, wie er sagt. Das sei sein eigenes Problem, das müsse er nicht abbilden.
Vielleicht aber wird daraus mal ein Spätwerk. Denn das übertrieben Triviale und die Schönheit lassen sich auch im zweiten Teil des Lebens finden.