Es ist eine Ikone des französischen Modemachers Yves Saint Laurent: Das kurze Kleid aus Wolljersey sieht aus wie ein Bild des niederländischen Malers Piet Mondrian. Ein schwarzes Raster auf weissem Grund, einige Felder sind rot, blau und gelb. In der Ausstellung wirkt die Schaufensterpuppe mit dem Kleid von 1965 wie eine Skulptur.
«Yves Saint Laurent hat Mondrian durch ein Buch kennengelernt, das ihm seine Mutter geschenkt hat», erzählt Elsa Janssen, Direktorin und Kuratorin des Pariser Musée Yves Saint Laurent. In Frankreich sei Mondrian damals kaum bekannt gewesen. «Das hat sich geändert, als Saint Laurents Kleider auf dem Cover der ‹Vogue› erschienen sind.» Yves Saint Laurent hat das Werk des Künstlers lebendig und tragbar gemacht.
Geometrie für den Körper
Mondrian wird für ihn zu einer Art Leitmotiv in verschiedenen Kollektionen. Aber auch andere Kunst beschäftigt ihn: «Schon als junger Modeschöpfer war Yves Saint Laurent fasziniert von Kunstgeschichte, vor allem vom Modernismus und Konstruktivismus», sagt Elsa Janssen. Fasziniert habe ihn auch das Bauhaus, bei welchem die geometrischen Formen grundlegend für den Aufbau künstlerischer Kompositionen waren.
-
Bild 1 von 3. Geometrie trifft Mode: Ein Ensemble aus der Kollektion Saint Laurent rive gauche Herbst/Winter 1988. Bildquelle: Yves Saint Laurent / Guy Marineau.
-
Bild 2 von 3. Die Jacke aus Seidensatin wirkt wie eine Skulptur. Bildquelle: Yves Saint Laurent / Photo Thibaut Voisin Décor Claudia Wieser.
-
Bild 3 von 3. Jede Kollektion, so auch die von 1988, beginnt mit einer Skizze. Für manche brauchte Yves Saint Laurent nur eine Minute. Bildquelle: Yves Saint Laurent.
An den Modellen, die Elsa Janssen für ihre Ausstellung gewählt hat, erlebt man die legendäre Präzision, mit der Yves Saint Laurent zweidimensionale geometrische Formen exakt aneinanderfügt für ein Kleid, das doch auf einen dreidimensionalen weiblichen Körper ausgerichtet ist.
Pop-Art trifft Mode
In seinen Kollektionen von 1965 und 1966 bestimmt die Farbe die Formgebung. Meist sind es kurze, gerade oder trapezförmig geschnittene Kleider für die moderne, elegante Frau. Hier dominiert als Grundlage Schwarz. Einzelne Flächen leuchten in sattem Violett, dann wieder sind einzig Knopfleiste und Kragen Knallgelb gehalten. Der Bezug zu Pop-Art ist offensichtlich.
-
Bild 1 von 3. Das Kleid von 1966 ist eine Pop-Art-Hommage. Bildquelle: Yves Saint Laurent / Droits réservés.
-
Bild 2 von 3. Ein Formelles Ensemble mit starken Farben und Formen aus der Kollektion Saint Laurent rive gauche, Herbst/Winter 1988. Bildquelle: Yves Saint Laurent / Xavier Raoux – DR.
-
Bild 3 von 3. Yves Saint Laurent blieb auch den Kleidern in schwarz-weiss treu, hier in der Haute-Couture-Kollektion 1998. Bildquelle: Yves Saint Laurent / Guy Marineau.
Noch strenger funktionieren seine schwarz-weissen Kollektionen. Hier zerlegt er die Silhouette in geometrische Flächen: Ein langes schwarzes Abendkleid erhält im Rock durch eingefügte weisse Dreiecke Volumen. Oder bei einem weissen Mantel ergeben die schwarzen Nähte eine unglaubliche Dreidimensionalität.
Bei dieser Werkgruppe hängen Yves Saint Laurents Skizzen aus. «Dabei ist sein kreativer Prozess besonders anschaulich abzulesen», sagt Kuratorin Elsa Janssen. Yves Saint Laurent beginne jede Kollektion mit Skizzen, mit schwarzem Stift auf weissem Papier. «Für eine solche Skizze hat er manchmal bloss eine Minute gebraucht», sagt Janssen. Bis zu 200 Stück habe er in seinem Haus in Marokko pro Tag realisiert. Videoaufnahmen davon sind in Paris zu sehen.
Die Macht des Jumpsuits
Elsa Janssen stellt klar: Yves Saint Laurent ist selbst ein Künstler. Wie die Künstlerinnen und Künstler des Konstruktivismus oder der Pop-Art habe er sich mit formalen und ästhetischen Fragen seiner Zeit auseinandergesetzt. Ab und zu auch mit einer gesellschaftspolitischen Dimension.
Das beweisen in der Ausstellung seine einfarbigen Jumpsuits ab 1975: «Er hat die Männergarderobe der Frauengarderobe zugewiesen», sagt Elsa Janssen. «Er übertrug die Macht von Männern auf Frauen.» Ein Empowerment der Frau. Die Ausstellung in Paris macht klar: Yves Saint Laurent vereinte als Designer Kunst mit Politik.