Ausgerechnet Ziegler hiess der neue Pächter der etwas maroden städtischen Ziegelhütte Schaffhausen. Nomen est omen: Der Industriepionier aus Winterthur hatte eine gute Nase fürs Geschäft.
«Jakob Ziegler-Pellis hat offensichtlich das Potenzial dieses Gewerbezweiges erkannt», sagt Daniel Grütter, Kurator für Kulturgeschichte am Museum zu Allerheiligen in Schaffhausen. Das war 1828.
Auf beiden Seiten des Rheins
Für die Stadt hat der neue Pächter weiterhin Ziegel und Industriekeramik hergestellt, dazu jedoch eine Geschirrabteilung eröffnet. Mit Erfolg: Bald war die Fabrik zu klein.
«Daher ist er auf die andere Rheinseite hinübergesprungen, in den Kanton Zürich», erzählt Grütter. «In der Gemeinde Flurlingen hat er auf einer grünen Wiese ein grosses Werk errichtet.»
Das Resultat: eine Fabrik an zwei Standorten. Das Wasser des Rheins hat er für Energie nutzbar gemacht und die beiden Areale mit einer Brücke verbunden.
Jakob Ziegler-Pellis (1775—1863) fabrizierte Platten, Suppenschüsseln, Teller und Krüge. Die Fabrik experimentierte mit Farben, liess sich etwa von den blauweissen Delfter Sujets oder der schwarzen Wedgwood-Keramik Englands inspirieren.
Auffallend bei der Ziegler Keramik sind die kunstvollen Designs. Diese sind einem tiefschwarzen Kapitel der Geschichte geschuldet.
Auferstanden aus Ruinen
«Bei der irrtümlichen Bombardierung Schaffhausens am 1. April 1944 durch die Amerikaner wurde auch das Fabrikareal fast vollständig zerstört,» sagt Kurator Daniel Grütter.
Dabei ging das Archiv ebenso verloren wie die Produktionsmaschinen. «Doch mit den Reparationszahlungen hat sich der Familienbetrieb entschlossen, noch einmal einen Neustart zu wagen.»
Bereits vor dem Ersten Weltkrieg waren die Gewinne eingebrochen. Jetzt holte man neueste Technologien nach Schaffhausen und entschied, eine Kunstabteilung zu schaffen. Als Leiter setzte man auf Gustav Spörri.
Spörri war ein Schweizer Keramikkünstler, der unter den Nationalsozialisten zum künstlerischen Leiter der Keramikfabrik Villeroy und Boch in Dresden aufgestiegen war. 1946 floh er aus der Kriegsgefangenschaft der Roten Armee in die Schweiz.
Von Gustav Spörri stammen die buntesten Stücke der Ziegler Keramik. Besonders auffallend sind die vielen Tierdarstellungen. So auch ein dreieckiger Teller, auf dem die Giraffe den Hals beugt, damit sie überhaupt Platz darauf findet.
Spiegel und Opfer des Zeitgeistes
Gerettet hat diese Kunstkeramik die Tonwarenfabrik Ziegler allerdings nicht: «Die Leute haben im Konsumrausch der 1950er-Jahre begonnen, das Geld für anderes auszugeben», sagt Daniel Grütter. Kunststoff als neues Material und das Revival von Glas taten das ihre. Dazu waren Produkte aus dem Ausland billiger.
1973 schloss die Familie Ziegler in fünfter Generation die Fabriktore für immer. Seiher ist Ziegler Keramik beliebte Sammlerware. Und etliche Stücke erfreuen ihre Besitzerinnen und Besitzer als Alltagsgeschirr immer noch.
«Manchmal suche ich in Brockenstuben nach Ziegler Keramik», erzählt ein Mann in einer Audiostation in der Ausstellung. «Ich trinke bis heute meinen Kaffee aus einer Ziegler-Tasse.»
Ein Kaffeegenuss mit dem Aroma fast vergessener Schweizer Tischkultur.