LuYang versteht es einfach nicht. «Warum nehmen das alle Leute so ernst?», fragt der Künstler, der auch eine Künstlerin ist. Gemeint ist die strikte Einteilung in Mann oder Frau.
Auf ein Geschlecht lässt LuYang sich nicht festlegen, sondern bevorzugt wechselnde Pronomen und erklärt im Interview: «Bei meiner künstlerischen Arbeit am Computer spielt das Geschlecht überhaupt keine Rolle.»
In seiner Kunst überwindet, überspielt oder verwischt die Künstlerin aus China weitere binäre Begriffskonstruktionen: nicht nur die von Mann und Frau, sondern auch von Tod und Leben oder Philosophie und Unterhaltung.
Wie spielerisch das zuweilen passiert, vermittelt die Basler Ausstellung «LuYang Vibratory Field» mit einem Überblick über LuYangs Werke seit den Anfängen im Jahr 2011.
Philosophierende Roboter
Auf vielen Screens und Leinwänden sind Kurzvideos, Filme und Games zu sehen, bevölkert von Figuren aus der Manga- oder Animewelt.
Süsse Roboter mit grossen Augen und knuffige Kinder mit strubbeligem Haar tun aber nicht, was sie üblicherweise tun, sondern philosophieren übers menschliche Bewusstsein. Oder verkünden buddhistische Weisheiten, etwa, dass alles Wollen eitel sei.
Das ist eine interessante Grundierung für die vielen Zwänge unserer digitalen Praxis, die gefangen scheint in den Bestätigungsspiralen von Social Media und dem zwanghaften Daumen- oder Herzchen-Sammeln.
Avatare verloren zwischen digital und real
Überhaupt ist die Schau genau das richtige für die, die ständig am Handy kleben. Oft genug wurde ihnen gesagt, dass das nicht gut sei. Welche philosophischen Abgründe aber sich im Gamen, Swipen und Sharen auftun, zeigt LuYang.
Für die neuesten Arbeiten, eine Serie mit dem Titel «DOKU» (2021-2023), hat LuYang sich selbst in Avatare verwandelt: in einen Kriegsgott, eine Art Techno-Schamanin und andere Gestalten mit den Zügen LuYangs. Alle tanzen geschlechtslos und für sich allein in Videos, verloren in einem Nirgendwo zwischen digital und real.
Die Bewegungen der animierten Figuren stammen zum Beispiel von balinesischen Tänzern, deren hochkomplexe Bewegungen bis hin zum Augenrollen über Motion Tracking festgehalten und auf die Avatare übertragen wurden.
Durchzogenes Fazit
Vieles verschwimmt also kunstvoll in dieser Ausstellung, die ein wohliges Gruseln inklusive Gedankenanstösse vermittelt, aber dennoch nicht in allen Teilen überzeugt.
Für eine so junge Position wie LuYang ist sie zu gross angelegt. Einige Arbeiten überzeugen nicht, anderen ist anzumerken, dass sie für kleine Screens entstanden. Auf den grossen Leinwänden in der Kunsthalle Basel wirken sie aufgeblasen oder verloren. Ganz so einfach ist das Verwischen der Grenzen zwischen digital und real also doch nicht.