Games sind nicht nur im Mainstream angekommen, sie sind die dominante Form der Kultur geworden – zumindest was das junge Publikum betrifft. Das weiss auch die Kunstwelt: Eine neue Generation hat sich das Medium angeeignet und zeigt, wie Games aussehen, die abseits der kommerziellen Logik grosser Titel funktionieren. Unter dem Titel «Radical Gaming» zeigt das HEK (Haus der Elektronischen Künste Basel) derzeit solche radikal anderen Games.
«Ein grosses, kommerzielles Game zu entwickeln, kann sehr teuer sein», sagt Boris Magrini, der Kurator der Ausstellung, «deshalb haben diese Werke vor allem ein Ziel: ihre Kosten wieder einzuspielen».
Da bleibt wenig Platz für Experimente: «Solche Games erzählen selten neue Geschichten und setzen auf bewährte Game-Mechaniken. Kurz: Sie bieten dem Publikum, was es schon kennt.»
Ein Fantasy-Game ohne Kampf und Gegner
Ganz anders die Games, die nun im HEK gezeigt und gespielt werden. Gleich das erste Beispiel – «Pastoral» von Theo Triantafyllidis – zeigt das exemplarisch: In einem idyllischen Kornfeld steht eine muskelbepackte, hünenhafte Figur im Bikini. Ein Mischwesen aus Mensch und Ork, aber auch aus Mann und Frau – eine genderfluide Spielfigur, die in traditionellen Fantasy-Games kaum anzutreffen ist.
Auch das Spielprinzip von «Pastoral» unterschiedet sich grundlegend vom Altbekannten: Da ist nichts zu gewinnen und niemand zu besiegen. Wir steuern bloss unsere Figur durch das schöne Kornfeld.
«Es gibt keine Action, man kann einfach nur geniessen. Das Game ist als Konzeptkunst sehr interessant: Es stellt die Frage, warum Krieg in solchen Fantasy-Games sonst immer so wichtig scheint», sagt dazu Kurator Magrini.
Sinne geraubt statt Superkräfte geschenkt
Andere Werke beschäftigen sich mit Fragen von Inklusion und Exklusion. «Darkgame 5» von Eddo Stern lässt Spielerinnen und Spieler auf völlig ungewohnte Weise in die Game-Welt eintauchen. Während uns andere Spiele Superkräfte schenken, uns stärker machen oder fliegen lassen, beraubt einen «Darkgame 5» wichtiger Sinne, nämlich dem Hören und Sehen.
Stattdessen weist uns eine Art langfingrige Kappe auf dem Kopf mit ihrer Vibration den Weg durch das Spiel. Auch das ist «Radical Gaming», denn «Darkgame 5» richtet sich an Menschen, die von kommerziellen Games oft ausgeschlossen werden: «Das Game wurde entwickelt, um ein sehbehindertes Publikum anzusprechen – das dank dem haptischen Feedback der Kappe einen Vorteil gegenüber Sehenden hat», erklärt Boris Magrini.
Ausgrenzung am eigenen Leib erleben
Auch «Resurrection Land» von Danielle Brathwaite-Shirley beschäftigt sich mit Ausgrenzungs-Erfahrungen. Dort können wir in einer von schwarzen Trans-Personen regierten Stadt wählen, ob wir selbst schwarz und transgender sein wollen.
Zugehörigen gibt das Game mehr Möglichkeiten als denen, die sich ausserhalb der Gemeinschaft definieren. «Somit können sie in eingeschränkter Form nachempfinden, welche Situationen eine schwarze Trans-Person oft tagtäglich durchzustehen hat», steht dazu im Ausstellungstext.
Interaktivität – die Erfahrung eines Werkes selbst mitbestimmen zu können – ist für Boris Magrini ein wichtiges Merkmal, durch das sich Game-Kunst von anderen Formen zeitgenössischer Kunst unterschiedet: «Dass das Publikum nicht in einer passiven Rolle bleibt, war für mich ein wichtiges Konzept für diese Ausstellung», sagt er.
So steuern wir unsere Ork-Figur also weiter durch das perfekte Kornfeld. Ohne Ziel und Aufgabe – einfach die erhabenen Idylle geniessend, die diesem virtuellen Ort innewohnt.
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