Mit einer Mischung aus Jazzgesang und House-Beats landete der obskure Jazzmusiker Scatman John den Millionenhit «Scatman (Ski-Ba-Bop-Ba-Dop-Bop)» – und verschwand bald wieder in der Versenkung. In «Who's The Scatman?» zeichnet der junge deutsche Comic-Autor Jeff Chi die Lebensgeschichte dieses Musikers auf.
Echt jetzt? Wer kommt bloss auf die Idee, das Leben dieses Ein-Hit-Wunders aufzuzeichnen? Und wer wird eine Scatman-John-Biografie lesen wollen? Diese Gedanken gingen mir durch den Kopf, als ich «Who's The Scatman?» aufschlug.
Ein paar Seiten später waren diese Fragen wie weggefegt, denn ich steckte tief im Sog einer ganz besonderen und sehr berührenden Lebensgeschichte.
Kontrolliertes Stottern
Es ist die Geschichte des 1942 in Kalifornien geborenen John Larkin, dessen schweres Stottern ihn seit seiner frühesten Kindheit zum Aussenseiter macht. Larkin wird Jazzmusiker, weil er sich nur hinter seinem Klavier wohlfühlt, am besten mit viel Alkohol im Blut. So musste er nicht reden.
Wenn er singt, dann Scat-Gesang. Das ist der improvisierte, rhythmisch abgehackte Sprechgesang des Jazz, eine Art kontrolliertes Stottern sozusagen: «Ba-da-ba-da-ba-be bop bop bodda bope.»
John Larkin hätte als trister Verlierer enden können, doch er hat Glück. Bei den Anonymen Alkoholikern trifft er die richtige Frau, Judy McHugh, zufälligerweise die Tochter eines Komponisten. Sie ermuntert ihn, sein Glück in Europa zu wagen. Gemeinsam zieht das Paar 1990 nach Berlin.
Das Stottern als Beruf
Da beginnt John Larkins wundersame Verwandlung: Er nimmt sein Problem als Herausforderung an, akzeptiert das Stottern als wesentlichen Teil seiner Identität und macht es zum Kern seiner Musik.
Dass der mittlerweile 53-jährige John Larkin zum Weltstar wird, ist dem Einfall eines Produzenten zu verdanken, der seinen Sprechgesang mit Rap-Elementen und House-Beats verknüpft.
Lange kann er seinen Erfolg indes nicht geniessen. 1999 stirbt Larkin an Krebs. Postum wird er in die Hall of Fame der National Stuttering Association aufgenommen.
Everybody stutters one way or the other
Vermutlich ist den wenigsten, die 1995 zu «Scatman» tanzen, bewusst, dass das Stottern das Thema vieler seiner Songs ist. «Everybody stutters one way or the other», rappt er etwa in «Scatman», und «don't let nothin' hold you back, if the Scatman can do it, so can you.» – Jeder stottert auf die eine oder andere Art. Lass dich nicht zurückhalten – wenn's der Scatman schafft, schaffst es auch du.
Mit solchen Botschaften spricht er vielen Stotternden aus der Seele, so etwa dem Teenager Gina, die mit Scatman Kontakt aufnimmt. Ihr Briefwechsel gehört zu den berührendsten Passagen in Jeff Chis Scatman-Biografie.
Scatman speist seinen Fan nicht mit unverbindlichen Floskeln ab, sondern geht auf Gina ein und legt ihr ans Herz, eine Veranstaltung der British Stammering Association zu besuchen: «Geh hin!», schreibt er ihr. «Ich sage dir, du wirst dich das erste Mal in deinem Leben richtig zu Hause fühlen.» Gina befolgt seinen Rat – und beginnt tatsächlich, sich mit ihrem Stottern auszusöhnen.
Verletzungen und märchenhafte Fügungen
In der Regel werden One-Hit-Wonder als Konsumprodukte betrachtet, nicht als Musiker oder Menschen. Im Fall von Scatman John straft Jeff Chi diese Vorurteile Lügen: Seine sorgfältig recherchierte Biografie zeigt Scatman John als eine komplexe Persönlichkeit.
Sein Leben ist geprägt von Traumata, Unsicherheiten, Komplexen, Suchtverhalten, Unverständnis, Verletzungen – aber auch, und das macht diese Geschichte so schön, von ein paar glücklichen, geradezu märchenhaften Fügungen.
Diese wunderbare Geschichte eines Aussenseiters erzählt der junge deutsche Comic-Autor Jeff Chi in «Who's The Scatman» mit spürbar viel Liebe und Seele, aber ohne Kitsch. Er bebildert sie mit kantigen, expressiven und farbenfrohen Zeichnungen, zu denen man am liebsten tanzen würde.
Man braucht kein Fan von Scatman Johns Musik zu sein, um diese Biografie zu goutieren; aber man wird unweigerlich zum Fan des Menschen Scatman John, alias John Larkin.