«Jetzt nagelt mich endlich fest», sagt der Mann, der in Märtyrerpose an einem Kreuz steht. Ein anderer kündigt an, Schwäne schiessen zu gehen, derweilen eine dritte Person eine Wurst brät.
So selbstironisch zeichnet Noah Liechti den alltäglichen Wahnsinn einer «Strapazin»-Sitzung.
Seit rund einem Jahr ist der 25-jährige Noah Liechti Teil des 23-köpfigen «Strapazin»-Teams. Dieses kommt jährlich zusammen, um festzulegen, wer wann welche Ausgabe verantwortet und kuratiert.
Das erste Heft erschien 1984 in München. Weil die deutschen Macher Konkurs anmelden mussten, holte Comiverleger David Basler «Strapazin» nach Zürich. Hier entwickelte sich das Magazin im Dunstkreis von Kunststudenten und Aktivistinnen. «Aus den Anfangszeiten sind viele immer noch dabei», sagt Liechti.
Punkästhetik und flache Hierarchie
Die 1980er-Jahre waren die Zeit der Jugendunruhen, der Auflehnung und Provokation und das schlug sich auch im Geist des «Strapazins» nieder. Das Rebellische und die Punkästhetik mit einem Schuss Dadaismus hat sich das Heft bis heute bewahrt.
Ebenso seine Unabhängigkeit. Die Mitherausgeber und -geberinnen arbeiten weitgehend ehrenamtlich, die Redaktion zu einem Minimallohn. Andere Kosten werden durch Abonnemente und Inserate sowie Fördergelder gerade so gedeckt.
In der «Strapazin»-Redaktion sind die Hierarchien flach, eine Chefetage gibt es nicht. «Für eine Sitzung ist das nicht unbedingt förderlich», sagt Noah Liechti. Aber gleichzeitig bleibe man so erfrischend kreativ.
«‹Strapazin›-Lesende müssen strapazierbar sein»
Der Name «Strapazin» setzt sich zusammen aus den Worten Magazin, Fanzine, Strapaze und Aspirin. Der Name ist Programm. «‹Strapazin›-Lesende müssen strapazierbar sein. Wir möchten nicht unbedingt gefallen, haben aber auch nichts dagegen, wenn wir es tun», sagt Liechti.
Comics galten lange Zeit nicht als Kunstform, sondern als Zeitvertreib für Kinder und Jugendliche. Die «Strapazin»-Crew hielt von Anfang an dagegen und lotete auch Themen wie Tod, Krankheit und Kriminalität aus. Viele der Zeichnungen sprühen vor beissendem Spott und Selbstironie.
Wilde stilistische Mischung
Weil jede Ausgabe von einem anderen Team kuratiert wird, gleicht keine Nummer der anderen. Auch innerhalb eines Heftes kommt eine wilde Mischung aus unterschiedlichsten Stilen zusammen, oftmals in kunstvoller und expressiver Bildsprache. Entsprechend ist das «Strapazin» nicht nur bei Comicfans beliebt, sondern auch bei kunstaffinen Menschen und Hochschulen.
Pro Ausgabe kommen normalerweise 8 bis 12 Zeichnende zum Zuge. In der Sonderausgabe zum 40. Jubiläum wird nun richtig geklotzt: Fast 80 Personen haben beigesteuert. Darunter auch viele bekannte Namen wie Thomas Ott, M.S. Bastian & Isabelle L. oder Lika Nüssli.
Wichtige Experimentierwiese für Comic-Szene
Die «Strapazin»-Machenden haben in den letzten 40 Jahren der alternativen Comicszene abseits von Asterix und Obelix eine Plattform geboten. Die Betriebsstrukturen mögen vielleicht wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten wirken. Allerdings ist es genau dieser Do-it-yourself-Geist, der die Experimentierwiese am Leben erhält.
Für junge Zeichner und Zeichnerinnen kann das «Strapazin» ein Sprungbrett sein. Gleichzeitig hilft das Heft mit, den Comic in seinen unterschiedlichen Spielarten als Kunstform zu etablieren. Und das ist heute immer noch gleich wichtig wie vor 40 Jahren.