Italien ist nicht nur dasjenige Land mit den weltweit meisten UNESCO-Kulturgütern, sondern auch mit den meisten professionellen Reiseführern. Ausgebildete Kunsthistorikerinnen, die bis zum Lockdown Anfang März alle Hände voll zu tun hatten.
An Touristen mangelte es bisher nie in Italien. Doch die Pandemie machte diesen guten Zeiten ein radikales Ende.
Der Staat lässt Reiseführerinnen im Stich
Zunächst blieben die Touristen aus. Museen, Ausstellungen, die kunsthistorisch wichtigen Kirchen und archäologische Stätten machten dicht.
Dann mussten die nun arbeitslos gewordenen «guide turistiche» entdecken, dass der Staat für sie keine nennenswerten Hilfen in diesem ausserordentlichen Notfall vorgesehen hat.
Die doppelten Einmalzahlungen in Höhe von umgerechnet 550 Franken sind für die meisten von ihnen nur ein finanzieller Tropfen auf den heissen Stein.
Freiberufler ohne viele Rechte
Wie freiberufliche Musikerinnen und Sänger in den Bereichen der sogenannten ernsten und leichten Musik fallen auch Reiseführerinnen durch die Maschen des Sozialnetzes: Ein Arbeitslosengeld gibt es für nicht festangestellte «guide turistiche» nicht.
Obwohl Interessenvertreter der Reiseführerinnen schon vor Monaten die Regierung auf diesen Notstand hingewiesen hatten, reagierten die Verantwortlichen bisher nicht.
Das Geld fehlt
Und das hat zum Teil dramatische Folgen. Mit dem nahezu kompletten Wegfall ihrer Einnahmen können viele der Reiseführer nicht mehr ihre Mieten zahlen.
Nicht wenige von ihnen, bestätigen Mitarbeiterinnen verschiedener Caritas-Einrichtungen, nutzen deshalb auch das Angebot, günstig oder gratis Lebensmittel zu beziehen.
Trotz wiedergeöffneter Museen ist der Alltag hart
Nach dem Ende des zweimonatigen Lockdowns wurden Museen und archäologische Stätten zwar wieder geöffnet. Doch fast alle nur mit strengen Auflagen und mit Regeln, die sich von Einrichtung zu Einrichtung unterscheiden.
Und die ständig verändert werden. Reiseführer, die das Glück haben, von den wenigen nach Italien kommenden Touristinnen beschäftigt zu werden, müssen sich bei jedem einzelnen Museum nach den aktuell geltenden Auflagen in Sachen Zugang, Öffnungszeiten und maximale Zahl der Gruppen erkundigen.
Reiseführer unerwünscht
Und schlimmer noch: In manchen Museen und Ausstellungen sind Reiseführer gar nicht mehr zugelassen. So etwa in der vor Kurzem geschlossenen grossen Tizian-Ausstellung in Rom. Im staatlichen Museum Galleria Borghese, immerhin eines der am meisten besuchten der Hauptstadt, sind Reiseführerinnen im öffentlich gemachten Depot unerwünscht.
Wie es heisst, werden diese Regeln erst dann aufgehoben, wenn Covid-19-Beschränkungen gestrichen werden. Also, wenn alle geimpft sind.
Regierung ist taub
Die Interessenverbände der Reiseführer protestieren lautstark gegen dieses Verhalten von Museumsdirektorinnen und Kulturverantwortlichen in den Kommunen und Regionen.
Doch Bürgermeister, Museumsdirektorinnen und auch das Kulturministerium stellen sich taub. Italiens professionelle Reiseführer müssen sich auf weitere harte Monate einstellen.