Letzten Sommer zeigte das 9-Euro-Ticket ungeahnte Auswüchse: Punks eroberten die Nordseeinsel Sylt – zumindest den Rathausplatz in Westerland, auf dem sie wortwörtlich ihre Zelte aufschlugen. Vorbei war es mit der gediegenen Atmosphäre auf der Insel mit dem reichen Ruf.
Nach eigenen Angaben ging es dem Protestcamp um mehr soziale Gerechtigkeit. Die Einwohner hingegen beschwerten sich über Lärmbelästigung und das Urinieren in der Garageneinfahrt.
Was tun also, damit mit dem Sommer nicht auch die Punks zurückkehren? Der Inselgemeinde schien etwas Kreatives eingefallen zu sein: Kunst und Walgesang gegen den Krach.
Lichter und Meeresrauschen gegen Punkbesuche
Zwölf maritime Skulpturen bevölkern jetzt den Rathausplatz in Westerland – vom Wikingerschiff bis zur Muschel. Die sogenannte Lichtinstallation «Meeresrauschen» soll den Platz im Dunkeln beleuchten und offiziell Kunst und Natur feiern, sowie einen Ort des Zusammenkommens bieten.
Verschiedene deutsche Medien berichten aber, dass es sich bei den eingezäunten Meeresbewohnern (die unter anderem von Weihnachtsmärkten stammen) wohl vielmehr um eine Abschreckung der ungebetenen Punks handle. Stichwort: Defensive Architektur. Kunst, die es einem ungemütlich macht.
Die Stadt- und Raumplanerin Rahel Marti findet das schlicht fragwürdig. Sollten Wale und Co. tatsächlich der Abschreckung dienen, werde Kunst missbraucht. «Im öffentlichen Raum sollen sich alle aufhalten können, alle sollen Zugang und Platz haben.» Anstatt die Menschen mit einzubeziehen, werden sie durch die Kunst weggedrückt.
Einbinden statt verargen
Die maritimen Platzverteidiger wären nicht die erste Idee zur Abschreckung unerwünschter Personen. Der Hauptbahnhof Hamburg etwa beschallt mit klassischer Musik, um Drogensüchtige und Dealer fernzuhalten. Anderorts gibt es absichtlich unbequeme Sitzgelegenheiten, die nicht zum Liegen einladen.
Natürlich gebe es an öffentlichen Orten wie etwa ÖV-Haltestellen Sicherheitsfragen zu bedenken, sagt Marti. Aber: «Menschen den Aufenthalt zu verargen, ist das Gegenteil von dem, was der öffentliche Raum soll.»
Stattdessen solle man die Menschen besser in die Planung mit einbeziehen. Denn: «Die Menschen in den Quartieren sind die Expertinnen und Experten. Sie wissen eigentlich ganz genau, was sie benötigen.»
Wären die Punks miteinbezogen worden, wären wohl kaum beleuchtete Wale dabei herausgekommen. Ob diese aber genug abschrecken, zeigt sich wohl, wenn es wärmer wird.