In den letzten Jahren haben die Verantwortlichen von Kulturinstitutionen in den Vereinigten Staaten Purzelbäume rückwärts geschlagen, um ihre Programme diverser und inklusiver zu gestalten. Je mehr People of Color auf Bühnen, in Konzertsälen und Ausstellungen präsentiert werden, desto besser, so die Devise.
Die gegenwärtigen Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus haben die Aufmerksamkeit jedoch auf einen Umstand gelenkt, der in der Welt der schönen Künste nur allzu gern verleugnet wird: Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe und Herkunft ist im Verwaltungsapparat der US-Kulturtempel weit verbreitet.
Protest-Brief für mehr Inklusion
In einem offenen Brief an die Kulturzentren in New York weisen nun hunderte von Unterzeichnenden auf diesen Missstand hin: Ehemalige und gegenwärtige Angestellte von Giganten wie der Metropolitan Opera und dem Museum of Modern Art fordern radikale Reformen in der Hierarchie, der Lohnpraxis und dem Einstellungsverfahren.
Tatsache ist, dass die kulturellen Führungspositionen nach wie vor zu 90 Prozent von Weissen besetzt werden und man Nicht-Weisse – durchschnittlich ein Viertel der Gesamtbelegschaft – hauptsächlich beim Putzpersonal und an der Garderobe findet.
«Diskriminierenden Praktiken» des Museums
Das illustriert ein weiteres Schreiben an das Direktorium des Guggenheim-Museums . Die hausinternen Absender sprechen darin gar von einer «Kultur, die Rassismus ermöglicht». So sitzen im allmächtigen Vorstand dieses Museums 25 Mitglieder, von denen nur zwei schwarz sind.
Die Leitung befindet sich vollständig in der Hand von Weissen, und erst vor Kurzem hat das Museum die erste schwarze Vollzeit-Kuratorin in seiner über 90-jährigen Geschichte ernannt. Diese Tat kommt so spät, dass es dafür kein Lob gibt. Vielmehr wirkt sie jetzt peinlich.
Museumsdirektor Richard Armstrong reagierte auf die Vorwürfe mit einer hastig einberufenen Zoom-Konferenz. Die (weisse) Chefkuratorin Nancy Spector verabschiedete sich in ein dreimonatiges Sabbatical. Bisher scheint weder das eine noch das andere die Gemüter beruhigt zu haben.
Bereits 2017 kündigte New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio an, die städtische Unterstützung von Kulturorganisationen künftig von ihrer Diversität abhängig zu machen.
Die betreffende Unterstützung ist zwar zu gering, um ins Gewicht zu fallen, hat aber symbolische Bedeutung. Jetzt, drei Jahre und eine Pandemie später, ist nicht einmal mehr symbolisch Geld für die Kultur vorhanden, und mit der Vielfalt innerhalb der Institutionen ist man offenbar kein bisschen weiter. Dabei gilt New York verglichen mit dem Rest des Landes als leuchtendes Beispiel des Fortschritts.
Unverbindliche Solidarität
Es ist sehr viel einfacher, via soziale Medien unverbindliche Solidaritätserklärungen mit #BlackLivesMatter abzugeben, als sich selber auf die weissen Finger zu schauen.
Es ist angenehmer, sich dafür auf die Schulter zu klopfen, dass man in einem Theaterstück die Minderheitenquote des Ensembles um 1,5 Prozent gesteigert hat. «Window dressing» nennt man dieses Verfahren auf Englisch – Schaufensterdekoration. Heuchelei ist ein anderer Ausdruck dafür.