Wenn man die Ausstellung zu Emma Kunz in der Appenzeller Ziegelhütte betritt, fühlt man sich als würde man durchs Weltall schweben. Der Ringofen der ehemaligen Ziegelhütte wurde in einen akustischen Parcours durchs Universum verwandelt.
In den Tonnengewölben sind Lautsprecher angebracht, aus denen es summt und brummt und sirrt. Diese Planeten-Sounds basieren auf Aufnahmen der NASA: Die US-amerikanische Weltraumbehörde registriert die elektromagnetischen Felder der Planeten unseres Sonnensystems.
Keine Künstlerin, sondern Wissenschaftlerin
Das Weltall ins Appenzell gebracht, hat die Schweizer Künstlerin Roswitha Gobbo. Sie hat den akustischen Parcours durchs Universum geschaffen – eine perfekte Ergänzung zu den Werken von Emma Kunz.
Auch Emma Kunz strebte wissensmässig hoch hinaus. So erklärt Kunsthallen-Direktor Roland Scotti: «Emma Kunz verstand sich eindeutig nicht als Künstlerin. In ihren Augen war sie Wissenschaftlerin.»
Emma Kunz’ Zeichnungen erinnern an Sterne oder komplexe geometrische Figuren. Sie basieren auf Energiefeldern, die sie mit dem Pendel und mathematischen Berechnungen bestimmte.
Manchmal hat Kunz am Rand der Zeichnungen Zahlen notiert. Trotzdem bleiben ihre Berechnungen geheimnisvoll.
Kunz' Zeichnungen waren Teil ihrer Forschung: «Ihre Zeichnungen sind als Diagramme möglicher Welten gedacht, welche Antworten auf ungeklärte Fragen geben», sagt Scotti.
Kunst verschmilzt mit Wissenschaft
Die Idee, dass Kunst sich mit Forschung verknüpfen lässt und sie dabei einen grösseren Spielraum beanspruchen darf als die klassischen Naturwissenschaften, ist heute weit verbreitet. Die Ausstellung zeigt einige Positionen der sogenannten künstlerischen Forschung.
George Steinmann zum Beispiel. Der Berner Künstler arbeitet seit vielen Jahren als eine Art Vermittler zwischen Kunst und den Naturwissenschaften, Politik und Philosophie, Ökonomie und Ökologie.
In Appenzell hat er eine Tischinstallation aufgebaut, die eine Art Laborsituation zeigt: Zahlreiche Gläser und Flaschen, Töpfe und Tiegel mit etlichen Flüssigkeiten und Substanzen, die er gesammelt, beschrieben, konserviert, verglichen, erprobt hat.
In dieser Arbeit lebt die Vorstellung vom Künstler als Alchimisten auf, der experimentierend und beschreibend, manchmal aber auch rein intuitiv der Welt auf den Zahn fühlt.
Kunst verändert die Natur
Das Zürcher Künstlerduo huber.huber reagiert fragend auf Emma Kunz und ihr berühmtes Experiment der «polarisierten Ringelblume». Emma Kunz hatte Ringelblumen durch magnetische Kräfte dazu gebracht, zu mutieren und an einem Stängel mehrere Blüten auszubilden.
Die Brüder Reto und Markus Huber haben diese Blumen gemalt, um zu fragen: «Wie verändert Wissenschaft Natur?», erläutert Scotti.
Nicht alle Arbeiten der Ausstellung sind so direkt und eindeutig auf Emma Kunz gemünzt. Die französische Künstlerin Agnès Geoffray zeigt in einer Diashow verschiedene Gesten der Hände.
Einige sind als Teil der Gebärdensprache oder auch als Gesten aus Kunstwerken erkennbar. «Es geht nicht darum, wirklich über einen Inhalt zu kommunizieren, sondern es als Mitteilung anzunehmen, deren Gehalt man letztendlich nicht vollständig entziffern kann. Man könnte den Inhalt aber intuitiv, von Seele zu Seele, verstehen», so Kurator Scotti.
Das gilt auch für Emma Kunz und ihren halb intuitiven, halb rationalen Zugang zur Welt.