Manchmal muss es schnell gehen. Per Telegramm bietet der Basler Museumsdirektor Georg Schmidt dem Kunsthändler Hildebrand Gurlitt am 10. Mai 1939 6000 Franken für Franz Marcs Bild «Tierschicksale».
Für 6900 Franken kauft er es schliesslich. Wie auch 20 weitere Meisterwerke der europäischen Moderne von Marc Chagall, Lovis Corinth oder Oskar Kokoschka.
Alle diese Werke tragen massgeblich zur heutigen Bedeutung der Basler Sammlung bei. Für bescheidene 50'000 Franken vermag Schmidt mit den Zuwächsen die Lücken der Sammlung im Bereich der Moderne auf einen Schlag zu füllen.
Geld für «entartete» Kunstwerke
Diese Werke stammten aus deutschen Museen. Die Nationalsozialisten hatten 1937 in einer gigantischen Aktion ihre öffentlichen Sammlungen zensiert und alles beschlagnahmt, was zu modern erschien.
Rund 21'000 Kunstwerke wurden als «entartet» beschlagnahmt. Rund 4000 dieser Werke wurden als «verwertbar» eingeschätzt und sollten gegen Devisen ins Ausland verkauft werden. Einer der vier Kunsthändler, die damit beauftragt wurden, war Hildebrand Gurlitt.
Anders als für NS-verfolgungsbedingte Entzüge gibt es für die beschlagnahmten und «entarteten» Werke keine Rückgabe-Forderungen der deutschen Museen. Denn der deutsche Staat schädigte sich hier selbst.
Vergessene Generation
Die Ausstellung «Zerrissene Moderne» zeigt die Hintergründe des Basler Kaufs und reflektiert, wie die Basler Sammlung vom NS-Regime profitierte. Denn ohne Nationalsozialismus wären diese Werke nicht in Basel gelandet.
Die Ausstellung liefert aber auch Einblicke in zahlreiche weitere Aspekte: Sie beleuchtet etwa die Entstehung der NS-Kulturpolitik und zeigt, wo sie bis heute nachwirkt.
Ins Ausland verkauft wurden nach 1937 ausschliesslich jene Kunstwerke, die bekannte Künstlerinnen und Künstler geschaffen hatten. Ihre geretteten Werke wurden weiter rezipiert.
Eine ganze Generation deutscher Talente aber, die sich international noch keinen Namen gemacht hatten, ging durch Beschlagnahmung und Zerstörung vergessen. Bei den «nicht verwertbaren» Werken hatte die NS-Kunstpolitik Erfolg, ihre Konsequenzen wirken bis heute nach.
Zerstörung von Kunst bleibt aktuell
Die Basler Ausstellung versucht einige dieser vergessenen Künstlerinnen und Künstler zu repräsentieren. Beeindruckende Entdeckungen sind etwa das sachliche «Liebespaar vor Dresden» von Conrad Felixmüller, Franz Franks Riesenbild der «Arbeitslosen», die Statue einer Tänzerin von Marg Moll oder Anita Clara Rées «Weisse Nussbäume».
Die Basler Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte weist bis in die Gegenwart. Auch, weil Unterdrückung, ideologische Vereinnahmung und Zerstörung von Kunst nach wie vor aktuell sind. Der aktuelle Basler Museumsdirektor Josef Helfenstein betont: «Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine wird klar: Diese erschreckenden Dinge sind nicht passé, sie passieren noch heute.»