Superlative gehören in der Fondation Beyeler zum Programm. Doch mit der Goya-Ausstellung ist dem meistbesuchten Schweizer Kunsthaus etwas Besonderes gelungen.
Es ist die erste Goya-Ausstellung im deutschsprachigen Raum seit 2006 in Berlin und Wien. Zu sehen sind rund 70 Gemälde und über 100 Zeichnungen und Druckgrafiken.
Originale in aller Pracht und Herrlichkeit
Um die Schau bei Beyeler möglich zu machen, haben Kurator Martin Schwander und sein Team den Kontakt zum Prado Madrid über Jahre gehegt und gepflegt. Das bedeutende spanische Kunstmuseum geht normalerweise sehr restriktiv mit Leihanfragen um, wenn es um Goya geht.
Nicht nur aus dem Prado konnten zahlreiche Werke entliehen werden, so Kurator Martin Schwander: «Wir zeigen Werke aus Privatsammlungen, die noch nie ausserhalb Spaniens zu sehen waren. Goya-Kenner kannten diese Bilder vielleicht von Reproduktionen – meist von schlechten Reproduktionen.»
Jetzt kann man diese Werke in voller Pracht und Herrlichkeit bestaunen. Zum Beispiel zwei thematisch eng verwandte Gemälde, die schon lange nicht mehr gemeinsam zu sehen waren: «Maja und Celestina auf dem Balkon» und «Majas auf dem Balkon», beide um 1810 entstanden. Sie regten Edouard Manet ein halbes Jahrhundert später zu seinem Gemälde «Le balcon» an.
Pralle Lebendigkeit und hohe Ewigkeit
Die Ausstellung verzaubert mit bekannten Meisterwerken wie der «Bekleideten Maja» oder dem Porträt der Herzogin von Alba. Sie hält aber auch viele Überraschungen bereit. Zum Beispiel ein Altarbild, das Mariä Himmelfahrt zeigt – in einem festlich-heiteren Leuchten, in dem pralle Lebendigkeit und hohe Ewigkeit sich zart verbinden.
Goya, 1746 als Sohn eines Vergolders geboren, stand gewissermassen mit einem Bein noch im duftigen Rokoko und mit dem anderen schon in der nachdenklichen Romantik. In seinem Schaffen verbindet sich der Sinn fürs Schöne und Ideale mit dem Blick für die Abgründe des wahren Lebens.
Die Mächtigen und Schönen neben Krieg und Hexenwahn
Im gleichen Saal wie das herrliche Altarbild hängen kleine Bilder, die Hexentänze und nächtliche Feuer zeigen, Gefängnisinsassen, Schiffbrüchige. Immer wieder bietet die Ausstellung solche gelungenen Gegenüberstellungen von grossen Auftragswerken und kleinen privaten Bildern.
Als Hofmaler porträtierte Goya die Reichen, die Mächtigen seiner Zeit. Als privater Künstler malte und zeichnete er auch die Nachtseiten des Daseins: Krieg, Grausamkeit, Inquisition, Hexenwahn.
Oft verschwimmen in diesen kleinen Bildern und Zeichnungen die Grenzen zwischen Realem und Fantasiertem. So in den berühmten Druckgrafiken der Serien «Desastres de la guerra (Die Schrecken des Krieges)» von 1811 bis 1814 oder den 1799 erschienenen «Caprichos».
Alle haben «ihren» Goya
Mit seinem Blick sowohl für die Licht- wie auch für die Schattenseiten des menschlichen Seins und seinem besonderen Zugriff auf die Wirklichkeit beeindruckte Goya nicht nur seine Zeitgenossen.
Goya sei immer wieder neu interpretiert worden, erzählt Kurator Martin Schwander. Ob Romantiker oder Surrealisten: Alle hatten «ihren» Goya. Auch heute noch werde der eigenwillige Maler und Zeichner als ein moderner Künstler wahrgenommen.
Der zwiespältige Mensch
Das hat viel mit Goyas besonderem Blick auf menschliche Abgründe zu tun. Goya zeigt den Menschen in seiner Zwiespältigkeit – als strahlendes, intelligentes, kreatives, schönes Wesen, aber immer wieder auch als niedrig, gemein, hässlich und von niederen Instinkten angetrieben.
Goya ist wie ein ferner Zeitgenosse, der uns noch heute den Spiegel vorhält.