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«Fake News» im Sprengel Museum
Aus Kultur-Aktualität vom 12.04.2018. Bild: SRF/Emilie Buri
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Gefälschte Kunstwerke Dieses Museum zeigt gefälschte Bilder

Gefälschte Kunstwerke zeigen statt verstecken: Das macht das hannoverische Sprengel Museum in einer aktuellen Ausstellung – und bricht damit ein Tabu. Dabei ist das Thema gerade für die Öffentlichkeit sehr erfrischend.

Die Ausstellung ist klein. Nur einen Raum nehmen die 15 Werke ein, die unter dem Namen «Fake News» gezeigt werden. Aber die Wirkung und Aussagekraft ist umso grösser.

Bisher hat es das kaum gegeben: Dass ein Museum so offenherzig über die eigenen Fehlleistungen punkto Fälschungen an die Öffentlichkeit tritt.

Mit der Ausstellung begibt sich das Museum auf schwieriges Terrain. Denn es stellt die Daseinsberechtigung von Kunstmuseen infrage, die von der Aura des Originals leben.

Ausstellungshinweis

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«Fake News: Original + Fälschung + Kopie + …» im Sprengel Museum Hannover ist noch bis zum 31. Dezember 2018 geöffnet.

Ja, es habe anfangs Bedenken gegeben, sagt die Kuratorin und stellvertretende Museumsdirektorin Carina Plath. Schliesslich aber hat das Bedürfnis nach Transparenz und Offenheit gesiegt.

Entstanden ist eine Ausstellung, die zeigt: Fälschung ist nicht gleich Fälschung. Und eine letzte Gewissheit gibt es kaum. Vier Beispiele:

Eine Frau steht neben einer Skulptur.
Legende: Carina Plath, stellvertretende Direktorin und Kuratorin der Ausstellung vor der gefälschten «Figurine». SRF/Emilie Buri

Giacometti: Nicht ganz so schlank wie das Original

Schon immer fand die Restauratorin des Sprengel Museums, irgendwie sei die Figur für Giacomettis Verhältnisse etwas zu dick geraten. Das erzählt Kuratorin Carina Plath.

Heute ist klar, warum das so ist: Noch zu Lebzeiten Alberto Giacomettis entwendeten Assistenten des Künstlers Skulpturen aus dem Atelier in Stampa und brachten sie nach Italien. Dort wurden die Objekte abgeformt und neu gegossen.

Fälschung – oder doch nur eine Kopie?

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Fälschung ist nicht gleich Fälschung und lange nicht alles ist illegal: Es gibt (mindestens) fünf Kategorien.

  • Kopie: Ein Werk wird kopiert, um das Auge zu schulen. Wird das Werk nicht als Original ausgegeben wird, ist es legal.
  • Fälschung: Das Werk wird als Original ausgegeben. Eine Täuschungsabsicht ist also vorhanden – und damit ist der Akt illegal.
  • Reproduktion: Ein Werk wird dokumentiert, zum Beispiel auf einer Postkarte oder auf einem Plakat.
  • Replika: Ein wieder erschaffenes Werk eines verschollenen Werkes.
  • Auflage: Eine Grafik mit einer reproduzierenden Technik (zum Beispiel eine Lithografie).

Es handelt sich hier also um eine «Surmoulage», einen Abguss nach einer Abformung vom Original. Das erklärt auch die etwas weichere Form der Figur.

Eine abstrahierte Berglandschaft
Legende: Oskar Kokoschka (?), Blick auf die Jungfrau von Mürren aus (Ausschnitt), 1912. Mischtechnik auf Leinwand, 91 x 110,5 cm. Sprengel Museum Hannover, Kunstbesitz der Landeshauptstadt Hannover

Kokoschka: War’s der Schüler?

Bis 1995 erschien der «Blick auf die Jungfrau von Mürren aus» noch im Werkverzeichnis von Oskar Kokoschka. In der neu überarbeiteten Version von 2017 ist das Bild nicht mehr dabei.

Was geschah dazwischen? Aufgetaucht sind unter anderem neue Erkenntnisse über einen Schüler Kokoschkas: Er konnte die Materialien seines Meisters benutzen – und kommt als Fälscher in Frage.

Eine Frau steht vor zwei Landschaftsbildern
Legende: Der Vergleich der beiden Landschaftsbilder half bei der Spurensuche. Sie ist aber noch nicht abgeschlossen. SRF/Emilie Buri

Gestützt wird dieser Verdacht durch eine Stilanalyse. Corina Plath zeigt, wie man den «Blick auf die Jungfrau von Mürren aus» mit einem anderen Landschaftsbild Kokoschkas, «Delphi» von 1956, auf Differenzen hin untersuchen kann: «Die Räume sind unterschiedlich aufgebaut. Beim ‹Blick auf die Jungfrau von Mürren aus› ist es wie ein Hindernislauf: Alles wirkt zweidimensional und nicht in die Tiefe gedacht. Bei ‹Delphi› ist es anders: Man kann mit dem Auge sofort bis zum höchsten Gipfel hochwandern, trotzdem gibt es auch flächige Partien. Damit entsteht eine Spannung, die im anderen Werk nicht vorhanden ist.»

Was kann geprüft werden, wenn ein Fälschungsverdacht besteht?

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  • Stilanalyse: Eine Kunstexpertin gleicht das Werk mit ihrem Wissensstand ab.
  • Bindemittel, Farbe, Leinwand etc. werden naturwissenschaftlich untersucht: durch eine chemische Materialanalyse oder mit Radiologie.
  • Provenienz: Das Werk braucht eine lückenlose Biografie.

Ganz geklärt ist der Fall aber nicht. Carina Plath möchte darum vom «Blick auf die Jungfrau von Mürren aus» eine Materialanalyse machen lassen.

Gemaltes Porträt einer Frau
Legende: Amedeo Modigliani (im Umkreis), Frauenkopf, 1917. Öl auf Leinwand, 55,3 x 46,5 cm. Sprengel Museum Hannover, Kunstbesitz der Landeshauptstadt Hannover

Modigliani: Ein unrühmlicher Ruf

Gerade noch im letzten Sommer wurde eine Modigliani-Ausstellung in Genua drei Tage vor ihrem Ende geschlossen. Experten hatten darauf hinwiesen, dass von 30 ausgestellten Werken 21 nicht echt waren.

Diese Geschichte ist kein Einzelfall. Amedeo Modigliani ist einer der meist gefälschten Künstler der Kunstgeschichte. Auch der «Frauenkopf», der 1979 von der Landesgalerie ins Sprengel Museum übernommen wurde, war bereits damals als fragliches Werk eingestuft – und hing darum seither im Depot.

Ein Mann steht vor einem abstrakten Relief. Er hält schwarz-weisse Porträtfotos in der Hand.
Legende: Der Künstler Dirk Dietrich Hennig – auch bekannt als Schwitters-Fälscher C.G. Rudolf. Keystone

Henning: Die erfundene Fälschung

Carl Gerhardt Rudolf, ein Hochschullehrer im Dienst der Stasi und Kunstfälscher: Diese Person ist eine Erfindung des 51-jährigen Künstlers Dirk Dietrich Hennig. Mit nachgemachten Dokumenten erzählt der Hannoveraner akribisch genau die fiktionale Biografie Rudolfs, inklusive dessen «gefälschten» Werke.

Ausstellungsraum: Zwei Plastiken auf Säulen, zwei Reliefs an der Wand.
Legende: Ganz rechts steht das Original von Kurt Schwitters, ganz links die erfundene Fälschung davon. SRF/Emilie Buri

Diese «Fälschung» ist in diesem Fall legal, weil es sich um ein Kunstprojekt handelt. Hennigs Projekt wirft einen kritischen Blick auf unsere Art, wie wir Meisterwerke verklären und fragt, was überhaupt ein gefälschtes Original ist – und was eine echte Fälschung.

Mit einer letzten Gewissheit lässt sich nicht alles klären. Sicher ist aber, dass das Museum einen mutigen und vielleicht auch zukunftsweisenden Schritt getan hat. Dass das Sprengel Museum Hannover die Nase im Wind hat, zeigte sich auch letztes Jahr: Der Kunstkritikerverband AICA Deutschland zeichnete das Haus als «Museum des Jahres» aus.

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