Offenbar ist die Schweiz für erfolgreiche Karrieren im Design zu klein. Denn bei den beiden Preisträgerinnen und dem Preisträger des diesjährigen Schweizer Grand Prix Design des Bundesamtes für Kultur BAK fällt eine Gemeinsamkeit auf: Sie alle haben ihre berufliche Laufbahn ausserhalb der Schweiz lanciert und dort Erfolge verbucht.
Famoser Farbenkünstler: Etienne Delessert
Etienne Delessert, 1941 in Lausanne geboren, ist heute ein international erfolgreicher Illustrator. Er hat sich nach seinem Grafikstudium erst in Paris und später in New York einen Namen gemacht: als Plakatgestalter von Werbung, als Illustrator und als Kinderbuchautor, vor allem im französischen Sprachraum.
Über 80 Bücher hat er seit den 1960er-Jahren illustriert. Besonders erwähnenswert: «Comment la souris reçoit une pierre sur la tête et découvre le monde». Das Buch regt Kinder bis heute an, die Welt zu entdecken. Entwickelt hat es Delessert mit dem Schweizer Psychologen Jean Piaget.
Auch mit Eugène Ionesco hat Etienne Delessert zusammengearbeitet. Der französisch-rumänische Autor sagte über ihn: «Delessert entdeckt die Schönheit, eine grossartige Entfaltung der Wesen und Dinge in der Farbe und durch die Farbe.»
Der Farbenkünstler Delessert arbeitete für die Trickfilmreihe Yok Yok in den 1980er-Jahren mit dem Schweizer Fernsehen RTS zusammen. Mit dem Grand Prix Design erinnert das BAK daran, dass der umtriebige Illustrator ein Schweizer ist.
Designdiskurs-Botschafterin: Chantal Prod’Hom
Ebenfalls aus Lausanne stammt die Jüngste in der Runde: die 66-jährige Kunsthistorikerin Chantal Prod‘Hom. Mit ihr ehrt das BAK, seit dem ersten Grand Prix Design 2007, erst zum zweiten Mal eine Vermittlerin. Die erste war die Designtheoretikerin Sarah Owens 2021.
Chantal Prod‘Hom kam mit Design in Kontakt, als sie für die Fabrica des Fotografen Oliviero Toscani und Luciano Benetton, einem Forschungszentrum für Kommunikation und bildende Kunst in Treviso, auf der ganzen Welt nach Talenten suchte.
Als Leiterin des Mudac Museum für Design und zeitgenössische angewandte Kunst in Lausanne gab sie ab 2000 dem bis dahin nicht vorhandenen Designdiskurs in der Westschweiz eine Plattform. Dafür erhält sie nun den Grand Prix Design.
Produktdesign-Pionierin: Eleonore Peduzzi Riva
«Eleonore Peduzzi Riva trug zum goldenen Zeitalter des italienischen Produktdesigns bei, indem sie Pionierarbeit in Sachen Modularität und Neuerfindung traditioneller Materialien leistete.» Dies schreibt die Eidgenössische Designkommission zur dritten Preisträgerin, die in der Innenarchitektur und im Industriedesign tätig war.
Dennoch komme Peduzzi Riva in der zeitgenössischen Literatur nicht vor. Sie und ihr Werk gilt es also zu entdecken.
Als Designerin stellte sich die gebürtige Baslerin nie in den Vordergrund, verstand Autorschaft als Team-Angelegenheit. In den 1950er-Jahren zog es sie zum Studium nach Mailand. Dort lebt sie immer noch – und in Basel.
Das modulartig aufgebaute Sofa DS-600 von De Sede, eine Designikone, auch Tatzelwurm genannt, hat sie im Team 1972 entwickelt – zusammen mit Ueli Berger, Heinz Ulrich und Klaus Vogt. Die drei Männer sind bekannt.
Mit dem Grand Prix Design erfährt die heute 84-jährige Eleonore Peduzzi Riva jetzt Anerkennung. Besser spät also als nie.