- Mit den Fantastic Four treten Stan Lee und Jack Kirby 1961 eine Comic-Revolution los.
- Die Helden haben nicht nur Superkräfte, sondern auch Schwächen – unsichere Jugendliche können sich gut mit den Figuren identifizieren
- Um 1970 beginnt der Glanz der Comic-Helden allerdings zu verblassen.
Um den Kommunisten zuvorzukommen, wollen der Wissenschaftler Reed Richards, seine Verlobte Sue Storm, ihr kleiner Bruder Johnny, sowie der Pilot Ben Grimm in einer selbstgebauten Rakete zum Mond fliegen.
Auf dem Flug geraten sie in einen kosmischen Sturm. Sie werden verstrahlt und kehren als mutierte Wesen auf die Erde zurück – mit Superkräften.
Wenn Menschen zu Felsbrocken werden
Reed Richards wird zu Mister Fantastic – einem Gummimenschen, der seinen Körper verformen kann. Sue Storm ist Invisible Girl, kann sich also unsichtbar machen. Ihr Bruder wird zur menschlichen Fackel Human Torch und Ben Grimm verwandelt sich in The Thing, einen tonnenschweren Felsbrocken.
Das ist der Beginn der Fantastic Four, bei uns als die Fantastischen Vier bekannt. Der Autor Stan Lee und der Zeichner Jack Kirby treten damit 1961 im Marvel-Verlag eine Comic-Revolution los.
Auf den ersten Blick sind die Fantastischen Vier normale Superhelden, die ihre Fähigkeiten in den Dienst des «Guten» stellen: des «American Way of Life». Näher betrachtet unterscheiden sich die Figuren aber deutlich von ihren Vorläufern Superman, Batman oder Wonder Woman.
EIne Kleinfamilie, die sich dauernd in die Haare gerät
Neu an den vier Superhelden ist, dass sie zwar übermenschliche Kräfte haben, aber auch menschliche Schwächen. Sie funktionieren wie eine dysfunktionale Kleinfamilie: Verbringen ebenso viel Zeit mit Streitereien, Eifersüchteleien und Intrigen wie mit heldenhaften Kämpfen gegen irre Wissenschaftler und machtgierige Megaschurken.
Ausserdem treiben die Superkräfte einen Keil zwischen die Helden und die Gesellschaft. Die Fantastischen Vier werden zu Aussenseitern, die zwar respektiert werden, wenn sie Erfolg haben – gleichzeitig aber immer auch misstrauisch und ängstlich beäugt werden.
Superhelden mit Sinnkrisen
Genau das ist das Erfolgsrezept von Stan Lee und Jack Kirby. Die zahlreichen Superhelden, die sie zwischen 1961 und 1964 erfinden, sind Helden und Antihelden zugleich: The Incredible Hulk, Iron Man, Silver Surfer, Daredevil, Doctor Strange, The Mighty Thor oder The Avengers.
Die Figuren sind gesellschaftliche Aussenseiter, einsam und unverstanden. Sie machen Identitäts- und Sinnkrisen durch. Dadurch werden sie im Kampf gegen ihre mächtigen Feinde geschwächt. Nicht selten denken sie ans Aufgeben.
Unsichere Jugendliche fühlen mit
Zur Zeit des sogenannten «Silbernen Zeitalters der Superhelden» sind gerade diese Schwächen Gold wert: Sie machen die Helden zu grossartigen Identifikationsfiguren für unsichere Jugendliche. Weit mehr als der fehlerlose Kraftprotz Superman.
Die Superhelden von Stan Lee und Jack Kirby beherrschen die amerikanischen Comics in den 1960er-Jahren. Doch der gesellschaftliche Aufbruch zwischen Bürgerrechtsmärschen und Anti-Vietnam-Demos hinterlässt Spuren.
Die Dämmerung des Silbernen Zeitalters
Den amerikanischen Jugendlichen dämmert es, wie komplex die Welt ist. Sie glauben nicht mehr daran, dass einzelne Mutanten mit Superkräften die Verhältnisse zum Besseren verändern können.
Um 1970 beginnt der Glanz der Comic-Helden zu verblassen. Aber verschwunden sind sie nie ganz, weder aus den Comics, noch von der Leinwand, noch aus unseren Köpfen.
Sendung: SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 28.8.2018, 8.20 Uhr