Fünf Jahrhunderte lang glaubte man, es sei verschollen oder gar nie entstanden. Bis am 16. August 2013 ein Anwalt aus Italien am Grenzbahnhof in Chiasso in eine Kontrolle der italienischen Polizei geriet.
Die Polizei fand das Verkaufsmandat für das Porträt der Isabella d’Este, das von Leonardo da Vinci stammen soll. Die Besitzerin Emidia Cecchini, die nach vielen Jahren in der Schweiz in ihrem Heimatort Pesaro in Italien zurückkehrte, hatte das Werk von ihrem Vater geerbt, an einem geheimen Ort in der Schweiz in einem Banksafe aufbewahrt und wollte es nun für 140 Millionen Euro verkaufen.
Weltweites Medieninteresse
Da die Italiener Kunstschmuggel im grossen Stil vermuteten und bezweifelten, dass Emidia Cecchini rechtmässig in den Besitz des Werkes gekommen war, ersuchten sie die Tessiner Behörden, das Bild zu beschlagnahmen. Das weltweite Medieninteresse war riesig. Doch der Tresor in der Luganeser Bank war leer.
Mithilfe von versteckten Wanzen und dem Abhören von Telefonen fanden die italienischen Behörden den neuen Aufenthaltsort des Gemäldes: Es lag in einem anderen Banksafe in Lugano.
Ein erbitterter Rechtsstreit
Im Februar 2015 beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft Lugano auf Verlangen Italiens das Gemälde, das seitdem unter Verschluss blieb. Es kam zu einem aufsehenerregenden mehrjährigen Rechtsstreit zwischen Emidia Cecchini, Italien und den Schweizer Behörden.
Zwei wesentliche Anklagepunkte galt es zu klären: Wem gehört das Werk? Und wurde es illegal aus Italien ausgeführt?
Illegale Ausfuhr?
Wie sich herausstellte, hatte Emidia Cecchini das Werk im Jahr 2010 für eine Expertise nach Italien gebracht und war am gleichen Tag mit ihm wieder zurück nach Lugano gereist.
Da das italienische Gesetz die Ausfuhr eines über 50 Jahre alten Kulturguts nur mit Bewilligung erlaubt, wurde Emidia Cecchini für diese illegale Ausfuhr des Werks von einem italienischen Gericht im Jahr 2017 zu 14 Monaten unbedingter Freiheitsstrafe verurteilt
Zurück zur Familie
Gegen den Entscheid der Staatsanwaltschaft Lugano, das Gemälde solle in den Besitz des italienischen Staates übergehen, legte sie beim Bundesstrafgericht in Bellinzona Rekurs ein. Vergeblich.
Der Fall ging ans Schweizerische Bundesgericht in Lausanne, die Causa entwickelte sich zu einem Präzedenzfall. Denn noch nie zuvor wurde über Kunstschätze geurteilt, die zwar illegal über die Grenze gebracht, aber nicht gestohlen wurden.
Wie aus Dokumenten hervorgeht, befand sich das Gemälde seit Jahrzehnten im privaten Besitz der Familie Emidia Cecchinis, die es wohl bereits in den 1910er-Jahren von Italien in die Schweiz brachte.
Das Schweizerische Bundesgericht lehnte in seinem Urteil vom 13. Mai 2019 die Auslieferung des Gemäldes an Italien in letzter Instanz ab. Das Gemälde der Isabella d’Este kehrte zu seiner rechtmässigen Besitzerin Emidia Cecchini zurück.
Ein echter Leonardo?
Der erbittert geführte Rechtsstreit konnte jedoch einen entscheidenden Punkt nicht klären: ob es sich um einen echten Da Vinci handelt oder nicht. Lange Zeit wurde unter Experten weltweit heftig über die Echtheit diskutiert.
Hochmoderne kunsttechnologische Analysen des Gemäldes, die erstmals im Film von Annette Frei Berthoud öffentlich gezeigt werden , legen offen, dass die verwendeten Farben und Pigmente denen aus der Werkstatt von Leonardo entsprechen, ebenso die typischen hauchdünn aufgetragenen Farbschichten.
Eine eindeutige Zuordnung als Werk Leonardo da Vincis ist auch trotz weiterer Expertisen renommierter Wissenschaftler und Da-Vinci-Experten nach wie vor nicht möglich.
So wird die Entstehung des Porträts der Isabella d’Este wohl weiterhin eines der grossen Geheimnisse der Kunstgeschichte bleiben.